Ein bisher unveröffentlichter Brief Schnitzlers, 19. 12. 1931

Ein bisher unveröffentlichter Brief Schnitzlers.
Antwort in Sachen des Professors Bernhardi.
Von befreundeter Seite wird uns ein Brief Arthur Schnitzlers zur Verfügung gestellt, der eine Antwort des Dichters an eine Dame ist, die mit der Auffassung Schnitzlers nicht einverstanden war. Hier der Wortlaut des Schreibens:

 

10. April 1924.
Sehr geehrtes Fräulein!
Ihr Bedenken ist ganz klug, aber trotzdem trifft es nicht zu. Die Sterbende ist zwar in Euphorie verfallen, aber vorher war sie nicht nur krank, sondern sie hat sich auch krank gefühlt und Todesgedanken gehabt. Die Ankündigung des priesterlichen Besuches weckt sie eben aus ihrer Euphorie, auch aus der seelischen, die Todesangst ist wieder da, nicht zum ersten Mal und auch ihre früheren Aengste kommen ihr nun neu zum Bewußtsein. Bernhardi enthält ihr also nicht die Segnungen der Kirche vor, die ja gewiß (wie später von Prof. Cyprian deutlich gesagt wird) von manchen Sterbenden wirklich als Segnungen empfunden werden, sondern er erfüllt seine ärztliche Pflicht, indem er seine Patientin davor zu bewahren sucht, aus ungestörtem Wohlgefühl unvermittelt in Todesgrauen versetzt zu werden. Ich hoffe Sie sind beruhigt, mein Fräulein, und ich grüße Sie bestens
Arthur Schnitzler.