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Wiener Brief.] Man schreibt uns aus
Wien vom
20. ds.: So wie neulich der »
Prinz von Homburg«
weniger wegen
Kleist als wegen
Kainz, so wurde am
Sonntag der
»
Verschwender« beinahe gar nicht wegen
Raimund, aber ganz besonders wegen
Kainz im
Burgtheater aufgeführt. So danken wir dem großen Schauspieler außer dem Vergnügen, das uns
seine Leistungen im Allgemeinen bereiten, die Wiederaufnahme von bedeutungsvollen
und
dadurch das allmähliche Verschwinden von schlechten Stücken aus dem Repertoire. Man
weiß, daß die
Wiener Hofbühne an schlechten
Stücken mit der Zeit sehr reich geworden ist. Das liegt daran, daß mancher
Schauspieler und manche Schauspielerin aus der vorigen Generation ihre Glanzrollen
in
Schauspielen – der vorigen Generation haben und daß bei Feststellung des Spielplans
auch auf diese sentimentalen Motive, (nicht ausschließlich aus Sentimentalität)
Rücksicht genommen werden muß. Was nun den
Valentin des Herrn
Kainz anbelangt, so war es eine Leistung, der das Beste fehlte: die
Echtheit. Wir sahen verdünnten
Girardi. Die
»
goldenen Herzen« sind unseres königlichen
Hamlet Sache nicht. Wir
werden ihm die Gütigkeit glauben, weil das die Güte ist, die sich herabläßt, wie die
Gutmüthigkeit, weil es die Güte ist, die zuweilen lächerlich ist. Es gibt Gestalten
eines anderen
Wiener Meisters, für deren
Verkörperung
Kainz wie geschaffen ist, eines
Dichters, der bisher im Repertoire des Burgtheaters gefehlt hat:
Nestroys. Er hat Figuren geschaffen, die vielleicht weniger wohlthuend wirken als
Valentin, der Vortreffliche,
aber die nicht minder wahr und nicht minder
wienerisch sind. Auf den
Lumpazivagabundus
wollen wir meinetwegen verzichten, aber
Kampl,
den
Zerrissenen, würden wir mit Freuden begrüßen
und
Kainz sei sein Prophet.
Wiener Possen im
K. u. K.
Hofburgtheater? rasen manche mit Schrecken. Gewiß. Wir sind nicht so stolz
als das
Burgtheater sein sollte.