Der Protest aus
Wien gegen
Tollers Hinrichtung
Ein Dementi des Staatssekretärs
Bauer.
Staatssekretär Dr. Otto
Bauer hat an den
bayerischen Ministerpräsidenten
Hoffmann in
München folgende Depesche
geschickt:
»Die ›
Münchener Post‹ veröffentlicht einen Protest gegen die angebliche beabsichtigte
Erschießung
Ernst Tollers, unter den auch die Unterschrift des Präsidenten
Seitz und meine Unterschrift gesetzt sind. In Wirklichkeit ist weder dem Präsidenten
Seitz noch mir jemals ein solcher Aufruf zur
Unterschrift vorgelegt worden.
Unsere Namen wurden ohne unser
Wissen unter den Protest gesetzt. Wir sind überzeugt, daß es unserer Bitte
gar nicht bedarf, die
bayerische Regierung zu
bewegen, kein Todesurteil mehr vollziehen zu lassen.
Otto Bauer.«
Eine Erklärung Dr. Artur Schnitzlers.
Vom Schriftsteller Dr. Artur Schnitzler werden wir um die
Veröffentlichung folgender Zeilen
ersucht:
»Erklärung.
Eben erst kommt mir die gestrige Nummer der ›
Wiener
Mittagszeitung‹ zu Gesicht, aus der ich erfahre, daß am
9. d. an den
bayerischen Ministerpräsidenten eine
angeblich auch von mir unterfertigte Depesche abgegangen sei, in der aufs schärfste
gegen jede Anwendung ungesetzlicher standrechtlicher Gewalt, insbesondere aber gegen
die drohende standrechtliche Hinrichtung
Tollers protestiert wurde.
Zu meinem Bedauern bin ich genötigt, festzustellen, daß ein
solches Telegramm mir zur Einsichtnahme oder gar zur Unterschrift niemals
vorgelegen hat, daß ich bis zu dieser Stunde dessen Wortlaut nicht kenne, und
daß ich nicht weiß, wer sich ohne meine Zustimmung ja ohne den rechtzeitigen Versuch,
meine Zustimmung zu erhalten, befugt halten durfte, meinen Namen unter einen Protest
zu setzen, der mir, soweit mir der Inhalt aus jener kurzen Zeitungsnotiz bekannt
geworden, zwar von einer zweifellos gerechten und – in Anbetracht der unterzeichneten
Namen – weiter nicht erstaunlichen edeln Gesinnung getragen, aber keineswegs so weit
gefaßt erscheint, als es der Anlaß ermöglicht und für meinen persönlichen,
parteipolitisch völlig unberührten Geschmack dringend erfordert hätte.
Denn ich für meinen Teil schließe mich dem an den
bayerischen Ministerpräsidenten gerichteten
Protest nicht nur mit aller Entschiedenheit an, sondern ich dehne ihn hiemit aus auf
sämtliche übrigen politischen Morde und sonstigen politischen und
pseudopolitischen Gewaltakte und Bübereien, in welchem Lande, in welcher
Partei, durch welche Instanz immer und ob sie nun an Proletariern, Bürgern, Literaten
oder selbst an Fürsten verübt worden wären und weiterhin verübt werden sollten.
Endlich erhebe ich Einspruch gegen jeden von welcher Seite immer ausgehenden Eingriff
in die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht des Individuums – solange durch die
Ausübung dieser Rechte nicht diejenigen eines anderen Individuums verletzt würden
–
und aus dieser Empfindung heraus verwahre ich mich hiemit öffentlich gegen die
vermessene eigenmächtige Zeichnung meines zu meiner alleinigen Verfügung stehenden
Namens – und wäre es auch in bester Absicht und zum besten Zweck geschehen – unter
ein Schriftstück, von dessen Existenz ich im Augenblicke der Absendung überhaupt
keine Ahnung hatte. Dr. Artur Schnitzler.«