Zum »Professor Bernhardi«, Februar 1913

von Arthur Schnitzler.
Sehr geehrte Redaktion! Ich glaube mich verpflichtet, den Lesern Ihres geschätzten Blattes, die den höchst anregenden Artikel von Georg Brandes »Theater und Schauspiele in Deutschland« zur Kenntnis genommen haben, die wenigen Sätze nicht vorzuenthalten, die, in einem soeben von mir abgesandten Brief an den ausgezeichneten Verfasser, dazu bestimmt sind, einen Irrtum, den er, wie Andere vor ihm, gutgläubig übernommen haben, ein für allemal richtig zu stellen. Diese Sätze lauten:
»Es ist über den ›Bernhardi‹ gar viel herumgeredet und – nicht immer bona fide – herumgeschwätzt worden und auch Sie, verehrter Freund, sind, wie speziell aus einer Ihrer Bemerkungen hervorgeht, über die Entstehungsgeschichte meines Stückes nicht richtig informiert. Die Komödie behandelt nicht eigentlich ›ein Lebensschicksal, wie es mein Vater erfahren hat‹, der Inhalt ist vielmehr frei erfunden. Mein Vater hat wohl seinerzeit, im Verein mit Freunden, ein Krankeninstitut in der Art des ›Elisabethinums‹ gegründet, hat es gegen mancherlei Anfeindungen mit Aufgebot seiner ganzen Begabung und Tatkraft, natürlich nicht ohne die Mithilfe ausgezeichneter Arbeits- und Kampfgefährten, zu hoher Blüte gebracht und mußte, insbesondere gegen Schluß seines Lebens, von mancher Seite Undank und Kränkung erfahren; – aber wenn auch sein Ausscheiden aus dem von ihm begründeten Institut vielleicht Einem oder dem Anderen nicht gerade unangenehm gewesen wäre, – er ist keineswegs ›hinausintrigiert‹ worden, ja ist sogar als Direktor des Institutes am 2. Mai 1893 gestorben. Übrigens hat mein Titelheld, der Professor Bernhardi, von meinem Vater nur wenige Züge entliehen, und auch die anderen Figuren meines Stückes sind, mit der freilich unerläßlichen Benützung von Wirklichkeitszügen, so frei gestaltet, daß nur Kunstfremde, an denen es natürlich niemals mangelt, hier von einem Schlüsselstück reden konnten. Meine Komödie hat keine andere Wahrheit, als die, daß sich die Handlung genau so wie ich sie erdichtet habe, in Wirklichkeit zugetragen haben könnte – zum mindesten in Wien zu Ende des vorigen Jahrhunderts.«
Für die Aufnahme dieser Zeilen bestens dankend, mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Arthur Schnitzler.