Ein Brief von Artur Schnitzler, 20. 11. 1914

Ein Brief von Artur Schnitzler.
Wir haben kürzlich einen aus deutsch-amerikanischen Blättern hier bekanntgewordenen Brief veröffentlicht, den Artur Schnitzler an einen in Amerika lebenden Schulfreund richtete. Mit Bezug auf diese Veröffentlichung sendet uns nun Herr Dr. Artur Schnitzler folgendes Schreiben:
Sehr verehrter Herr Chefredakteur!
Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß in Ihrem geschätzten Blatt (vom 17. d.) ein Brief von mir an einen Schulfreund in Amerika abgedruckt ist. Nun stimmt es allerdings, daß ich an einen lieben alten Freund in New-York, den ich seit Jahrzehnten nicht gesehen und gesprochen habe, einen Brief richtete; der Brief aber, den ich eben im »Neuen Wiener Journal« lese und der offenbar aus irgendeiner amerikanischen Zeitung übernommen ist, enthält auch nicht einen Satz, der von mir verfaßt worden wäre. Das Ganze liest sich etwa so, als wenn mein Originalschreiben zuerst ins Englische und dann wieder ins Deutsche zurückübersetzt worden wäre, beide Male mit einem solchen Mangel an Sorgfalt, daß nicht nur der ursprüngliche Wortlaut, sondern an manchen Stellen auch der Sinn, wenn nicht geradezu ins Gegenteil verkehrt, doch erheblich verändert erscheint. Da ich, auch während des Weltkrieges, bei den zahlreichen Lesern Ihres geschätzten Blattes nicht in den Verdacht kommen möchte, mich gegen den Geist meiner deutschen Muttersprache – und wäre es auch nur in einem Privatbrief an einen Schulfreund in Amerika – vergangen zu haben, so ersuche ich Sie, sehr geehrter Herr Chefredakteur, höflichst diesen Zeilen an gleicher Stelle, wo die von Ihnen, selbstverständlich im besten Glauben, übernommene durchaus willkürliche Variation eines zur Veröffentlichung nie bestimmt gewesenen Briefes erschienen ist, gütigst wortgetreue Aufnahme zu gewähren.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr ergebener
Artur Schnitzler.