Artur Schnitzler über eine eventuelle Wiederaufnahme der »
Reigen«-Aufführungen.
Artur
Schnitzler hat an Direktor
Bernau das nachfolgende Schreiben gerichtet:
»Verehrter Herr Direktor! Zu meiner Verwunderung lese ich in der Zeitung eine Notiz des Inhalts, daß ich nach anfänglicher Weigerung
meine Einwilligung zur Wiederaufführung des ›
Reigen‹ erteilt hätte. Diese Auffassung beruht auf einem schwer erklärlichen
Mißverständnis, das kaum in der Direktionskanzlei seinen Ursprung genommen haben
dürfte, wo man ja über meinen Standpunkt hinreichend informiert war und ist. Erlauben
Sie mir aber in jedem Fall, diesen meinen Standpunkt noch einmal mit aller Klarheit
zum Ausdruck zu bringen.
Ich werde die Wiederaufnahme der ›
Reigen‹-Vorstellungen an den
Kammerspielen –
oder an irgendeiner anderen
Wiener Bühne –
nur dann gestatten, wenn die hier in Betracht kommenden
Behörden, die selbstverständlich nach reiflicher
Ueberlegung das Verbot erlassen und es nun, selbstverständlich nach ebenso reiflicher
Ueberlegung, aufgehoben haben, sich geneigt erklären, die
Darsteller und das Publikum sowohl vor Ausbrüchen mehr oder minder echter
sittlicher Entrüstung als auch vor angezettelten Pöbeleien
zu
schützen – und wenn diese Behörden überzeugt sind, solche Schutzmaßnahmen,
wie es in anderen zivilisierten Städten gelungen ist, mit Sicherheit praktisch
durchführen zu können. Ehe nach dieser Richtung hin die mir im Interesse der
Darsteller und des Publikums notwendig erscheinenden Garantien nicht vorliegen,
erhebe ich in aller Form Protest gegen jeden Versuch einer
Wiederaufnahme meiner Szenenreihe ›
Reigen‹
in den Spielplan der
Kammerspiele, was ich Sie,
verehrtester Herr
Direktor,
freundlichst zur Kenntnis zu nehmen bitte. Mit herzlichem Gruße Ihr aufrichtig
ergebener Dr.
Schnitzler.«