Artur Schnitzler über eine eventuelle Wiederaufnahme der »Reigen«-Aufführungen, 8. 2. 1922

Artur Schnitzler über eine eventuelle Wiederaufnahme der »Reigen«-Aufführungen.
Artur Schnitzler hat an Direktor Bernau das nachfolgende Schreiben gerichtet:
»Verehrter Herr Direktor! Zu meiner Verwunderung lese ich in der Zeitung eine Notiz des Inhalts, daß ich nach anfänglicher Weigerung meine Einwilligung zur Wiederaufführung des ›Reigen‹ erteilt hätte. Diese Auffassung beruht auf einem schwer erklärlichen Mißverständnis, das kaum in der Direktionskanzlei seinen Ursprung genommen haben dürfte, wo man ja über meinen Standpunkt hinreichend informiert war und ist. Erlauben Sie mir aber in jedem Fall, diesen meinen Standpunkt noch einmal mit aller Klarheit zum Ausdruck zu bringen.
Ich werde die Wiederaufnahme der ›Reigen‹-Vorstellungen an den Kammerspielen – oder an irgendeiner anderen Wiener Bühne – nur dann gestatten, wenn die hier in Betracht kommenden Behörden, die selbstverständlich nach reiflicher Ueberlegung das Verbot erlassen und es nun, selbstverständlich nach ebenso reiflicher Ueberlegung, aufgehoben haben, sich geneigt erklären, die Darsteller und das Publikum sowohl vor Ausbrüchen mehr oder minder echter sittlicher Entrüstung als auch vor angezettelten Pöbeleien zu schützen – und wenn diese Behörden überzeugt sind, solche Schutzmaßnahmen, wie es in anderen zivilisierten Städten gelungen ist, mit Sicherheit praktisch durchführen zu können. Ehe nach dieser Richtung hin die mir im Interesse der Darsteller und des Publikums notwendig erscheinenden Garantien nicht vorliegen, erhebe ich in aller Form Protest gegen jeden Versuch einer Wiederaufnahme meiner Szenenreihe ›Reigen‹ in den Spielplan der Kammerspiele, was ich Sie, verehrtester Herr Direktor, freundlichst zur Kenntnis zu nehmen bitte. Mit herzlichem Gruße Ihr aufrichtig ergebener Dr. Schnitzler