Antoine: Aus meinen Erinnerungen, 9. 10. 1927

Aus meinen Erinnerungen.
Von
Antoine.
Brieux, Sudermann, Zola, Schnitzler.
Die Tagebücher des berühmten Direktors des Pariser Odéon, Antoine, bilden glanzvolle Blätter der Geschichte des französischen Theaters der letzten vier Jahrzehnte. Diese Aufzeichnungen und die ihnen angeschlossenen Briefe berühmter Autoren sind trotz ihres episodenhaften Charakters historische Dokumente: sie schildern in plastischer Weise und mit überzeugender Kraft die mächtigen Gegnerschaften und Schwierigkeiten, die der geniale Künstler und Bahnbrecher einer neuen Richtung zu bewältigen hatte, ehe er den großen dichterischen Talenten dieser Epoche, die sich ihm anvertraut hatten, zu universeller Geltung verhelfen konnte. Starkem Interesse dürften wohl insbesondere die folgenden Blätter begegnen, die wir hier in wortgetreuer Uebertragung wiedergeben.
[…]
16. Juni 1899.
Von Georges Brandes erhalte ich folgenden Brief: »Lieber und berühmter Kollege! Ein österreichischer Dichter, Artur Schnitzler, schreibt mir, daß eine Uebersetzung eines seiner Stücke (das während der französischen Revolution spielt) bei Ihrem Theater eingereicht worden ist. Er meint, daß Sie mich vielleicht dem Namen nach kennen und daß eine Empfehlung von mir Ihr Interesse erregen würde. Ich weiß nicht, ob ich die Ehre habe, Ihnen bekannt zu sein. Auf jeden Fall erlaube ich mir, Sie bloß zu bitten, das Stück Schnitzlers sorgfältig zu lesen. Er hat in Oesterreich einen gewissen Erfolg gehabt. Aus Freundschaft zum Verfasser würde ich ihm auch in Frankreich Erfolg wünschen. Empfangen Sie den Ausdruck meiner aufrichtigen Bewunderung.
Georges Brandes.

 

Redakteur: Es hat sich damals offenbar um das Stück »Die Gefährtin« gehandelt, das 1902 bei Antoine tatsächlich aufgeführt wurde; 1904 folgte dort der »Grüne Kakadu«. Schnitzler fügt in einem an mich gerichteten Briefe hinzu, daß es ihm bis heute völlig unbekannt gewesen, daß Georges Brandes sich dazumal für sein Stück bei Antoine eingesetzt hatte. Wohl aber wußte er, daß der große Däne ihm von seinen ersten Anfängen an »starke und werktätige Sympathie« entgegenbrachte.