Bekanntlich hat
Arthur Schnitzler durch seinen Rechtsfreund Dr.
Norbert Hoffmann gegen die »
Ravag« eine Klage einbringen lassen, weil im
Mai dieses Jahres an einem von der »
Ravag«
gesendeten literarischen Abend durch den
Burgschauspieler
Paul Pranger unter anderm drei
Novellen
Schnitzlers zum Vortrag gebracht wurden,
ohne
daß die »Ravag« dem Dichter hiefür Tantiemen gezahlt oder auch nur bei
ihm vorher angefragt hätte, ob ihm die Funksendung jener Novellen genehm sei. Nun
sollte in der nächsten Zeit ein
dramatisches Werk Schnitzlers in das Repertoire der Radiobühne aufgenommen werden.
Schnitzler hat nun in der Annahme, daß der »
Ravag« möglicherweise sein Entschluß, sie zu
klagen, noch nicht bekannt wäre, ihr hievon Mitteilung machen lassen. Daraufhin ist
die »
Ravag« von ihrer Vereinbarung, jenes
dramatische Werk
Schnitzlers aufzuführen,
zurückgetreten. Der Dichter hat hievon seinen Rechtsanwalt
in einem Schreiben benachrichtigt, in dem es heißt: »Die ›
Ravag‹ hat sich stilgerecht benommen. Ich habe ihr loyal
durch einen mir befreundeten Theaterverleger mitteilen lassen, daß ich einen Prozeß
gegen sie habe anstrengen lassen, und sie schrieb an diesen: ›Es entfällt für uns
dann selbstverständlich jede weitere Möglichkeit, Werke eines künftigen Prozeßgegners
in das Repertoire aufzunehmen.‹
Auflehnung des geistigen
Arbeiters wird mit Aussperrung bestraft!«
Gespräch mit Arthur Schnitzler.
Arthur Schnitzler hat sich einem unserer Mitarbeiter
gegenüber wie folgt zu dieser Angelegenheit geäußert: »Es handelt sich mir hiebei
keineswegs um die 300 S., wegen deren Nichtbezahlung ich die ›
Ravag‹ geklagt habe, um einen Betrag also, auf den ich ebenso
wie die ›
Ravag‹ leicht verzichten könnte. Es
handelt sich mir vielmehr um eine prinzipielle Frage. Ich demonstriere mit diesem
Prozeß dafür, daß das
geistige Eigentum dem materiellen Eigentum endlich einmal gleichgestellt werde. Es geht
nicht an, daß Lücken im Gesetz dazu benützt werden, geistiges Eigentum für
vogelfrei zu erklären. Ich will damit dem Publikum zum Bewußtsein bringen,
daß geistiges Eigentum auch Eigentum ist. Gesetzt den Fall, daß durch eine Lücke des
Gesetzes der Diebstahl von Silberschüsseln oder Winterröcken nicht strafbar wäre,
es
würde sich zweifellos die Zahl derer, die Winterröcke oder Silberschüssel stehlen
und
dann die Entscheidung eines Prozesses abwarten, erheblich vermehren.
Die Leiter der ›
Ravag‹ spielen sich als Leute
auf, die rechtlich vorgehen. Ich sehe in ihrem Verhalten nur den
unbeschreiblichen unternehmerischen Machtdünkel. Sie stehen auf dem
Standpunkt: wir machen, was wir wollen, solange der geistige Arbeiter gesetzlich
nicht geschützt ist. Ich erwarte zuversichtlich, daß die prinzipielle Frage, um die
es sich hier dreht, auch bei uns so entschieden werden wird, wie sie in
Deutschland nach dem Prozeßkampf, den
Gerhart Hauptmann und
Hofmannsthal geführt haben, entschieden worden ist, daß also der
Urheberschutz auch bei Vorlesungen bereits veröffentlichter epischer und
lyrischer Werke eintritt. Ueberhaupt wird endlich einmal
das ganze Urheberrechtsgesetz von Grund auf umgekrempelt werden
müssen, da es lauter Lücken enthält, weil es eben nicht von dem Prinzip
ausgeht, daß Eigentum Eigentum bleibt, ob es sich um geistiges oder materielles
handelt, und vielmehr das geistige Eigentum nur
ausnahmsweise schützt.
Nebstbei, wenn die ›
Ravag‹ zwischen
Theateraufführungen und Vorlesungen epischer oder lyrischer Werke unterscheidet, jene
bezahlt und diese nicht, so ist diese Unterscheidung schon deshalb hinfällig, weil
zwischen Vorlesung und Theateraufführung im Radio ein
Unterschied gar nicht existiert. Wer geistiges Eigentum stiehlt, ist genau so
verächtlich wie der Dieb materiellen Eigentums. Ja verächtlicher noch, da das Risiko
hiebei viel geringer ist, während ein richtiger Dieb sich doch immerhin in eine
gewisse Gefahr begibt.«
Der Standpunkt der »
Ravag«.
Ein leitender Funktionär der »
Ravag« teilt uns
mit: »Die ›
Ravag‹ hat im Sinne der geltenden
österreichischen Gesetze
| selbstverständlich
alle
dramatischen Aufführungen jederzeit
voll honoriert nach dem Tantiemensatz, mit dem die
jeweiligen Verleger die Werke offeriert haben. Daß da irgendwie der Autor zu kurz
komme, davon kann keine Rede sein, denn die Autoren verhandeln gar nicht selbst. Die
Auffassungen in bezug auf den
Schutz von epischen und lyrischen
Werken sind juristisch geteilt. Es handelt sich um eine
noch nicht geklärte Streitfrage. Es sind diesbezüglich verschiedene Klagen
gegen die ›
Ravag‹ eingebracht worden, darunter
auch von Dr.
Schnitzler. Diese Klagen laufen
gegenwärtig. Es ist daher der richtige Weg für die ›
Ravag‹ damit gegeben, daß die entsprechenden gerichtlichen Instanzen die
Frage studieren, einer Behandlung zuführen und die ›
Ravag‹ diese Erledigungen
abwartet.«