Fondateur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier,
commercial et littéraire.
Paraissant trois fois par jour.
Mein lieber Freund,
das
sind recht erfreuliche Nachrichten, – unberufen! – die Dein Brief bringt.
Speidel be
sonders i
st eine förmliche Überra
schung. Der Mann, der
××↓bei↓ der Lampe nach Mitternacht über Deinem
Stücke sitzt, wird mir beinahe
sympathi
sch.
H Sollten wir ihm vielleicht Unrecht gethan haben? Er
war gegen das Neue; aber hat es denn viel Neues gegeben? Und haben wir nicht am Ende
das Neue mit uns verwech
selt, die wir neu waren? Das Urtheil, das er über Dich fällt,
spricht
sehr zu Ehren
|seines Kun
stver
ständni
sses.
Nun kann es doch unmöglich mehr fehlen. Wo
soviel Mächtige dafür
sind, wird das
Theater-Ge
sindel nichts mehr ausrichten können. Daß
B. Dich be
sucht, imponirt mir be
sonders. Welchen Weg ha
st Du durchlaufen
zwischen von drei Jahren bis auf
heut! Mir
kommt
so vor, als
sei jetzt nur noch ein tüchtiger Ruck zu geben, und dann am Ziel!
Wenn
sich die
Sandrock vom
Volkstheater jetzt
schon losmachen könnte,
so
wäre es wohl gut (Warum
spielt übrigens die
Hohenfels nicht die Rolle?). Wenn nicht,
so warte
st Du ruhig bis zum näch
sten Jahr. Der
Titel »
Liebelei« mißfällt mir.
|Er klingt maniriert, unliterari
sch und
verkleinert die Arbeit. Ich möchte, daß Du auf die kleine
Nuance verzichte
st und einfach gerade heraus »Eine Lieb
schaft«
sag
st. Das
klingt mehr nach bürgerlichem Drama. Und nun werde ich endlich ungeduldig. Alle Welt
hat
schon über dem
Stücke
ge
se
ssen, mit
B Bangen und ohne. Ich weiß allerlei
Urtheile und kenne es
selber noch nicht. Könnte
st Du es mir nicht auf wenige Tage
zugänglich machen? Ich le
se es in einem Tage aus und
schicke es
sofort zurück. Bitte,
bitte, mach’ es irgendwie möglich; Du kann
st Dir denken, wie ge
spannt
|ich bin. Die Spannung wäch
st mit jeder neuen
Nachricht. Nun muß ichs endlich kennen lernen, zum Teufel auch! Und, nicht wahr,
sobald Cen
sur und Intendanz ge
sprochen haben, theil
st Du mir
sofort das Re
sultat mit?
Schreib’ mir auch, ob die
Frankf. Ztg. etwas
darüber bringen
soll. Ein
stweilen beglückwün
sche ich Dich von Herzen zu den
bisherigen guten Re
sultaten
. Speidel i
st bereits der halbe Erfolg. Ich freue mich
sehr. . . . .
In einem der näch
sten Hefte des »
Mercure de France« kommt ein
Aufsatz von
Albert über Euch. Leider hat er mich nicht um Rath
|beim Schreiben gefragt. Es
stehen al
so offenbar einige Stiefel drin. Aber die
Haupt
sache i
st doch, daß etwas ge
schrieben wird. Auch will er näch
stens etwas von Dir
über
setzen. Wie macht
sich der literari
sche und buchhändleri
sche Erfolg von »
Sterben«?
Was hört man von der »
Zeit«? Wie geht
sie und wie
gefällt
sie?
Gern will ich Dir die
Frankf. Ztg. schicken, wenn
ich etwas darin habe. Aber ich habe kaum mehr etwas drin. Kann
|mich nicht mehr zum Schreiben aufraffen. Es liegen
Centnerla
sten auf mir. Die Krankheit, die nicht heilen will – Ihr Ärzte
seid nichts
als men
schenfreundliche Lügner – die Verein
samung, die Heimatlo
sigkeit, das Gefühl
des Zurückbleibens, die Verlotterung. Wie ich aus
Ischl zurückkam, wollte ich eine Rie
sen-An
strengung machen. Die i
st mißlungen, und
nun la
sse ich mich
sinken und lei
ste nur mehr wenig Wider
stand. Ich le
se nicht ein
Mal mehr ein Buch zu Ende; und wenn die Reue kommt,
so
slüchte ich mich in Politik
und Depe
schen hinein.
|Den Brief an Frl.
Sandrock habe ich endlich ge
schrieben. Es war keine Kleinigkeit. Ich
sollte meine
An
sicht über das Leben mittheilen. Das i
st nicht leicht, wenn man viel zu thun hat.
Ich habe ein idioti
sches Zeug abge
schickt,
mais enfin, ich habe geantwortet.
Ich möchte ein wenig wissen, wie Du lebst? Gesellschaft? Freundschast? Abenteuer?
Bahr hat mich neulich in
sehr liebenswürdiger Wei
se citirt. Warum hat er das gethan?
Ich mache mir Vorwür
se, daß ich Dich zum Abonnement auf das
|»
Journal« aufgefordert habe. Es wird niederträchtig
schlecht. Vielleicht
ver
such
st Du es fortan mit der Abendausgabe des »
Journal des Débats«. Die politi
schen Artikel brauch
st Du ja nicht zu le
sen; aber es
sind kö
stliche
chroniqueurs darin, höhere literari
sche Leute:
Hallays, Bazin, Filon, Lemaître etc. Will
st Du, daß ichs Dir abonnire? Noch habe ich
30 Francs 30 ct., die Du beharrlich todt
schweig
st. Hat
Richard den »
Courrier Français« abonnirt? Son
st
schicke ich ihn Dir. Anbei
schicke ich Dir wieder ein paar Artikel, Kraut und Rüben durcheinander.
Drumont i
st ein großer
|Polemi
st, nur
stark irr
sinnig.
In Bezug auf Juden und Deut
sche leidet er an Verfolgungswahn. Aber in er
sterer
Beziehung beginnt der Irr
sinn doch er
st nach einer weiten Grenze; Vieles
Unglaubliche, was er über jüdi
sche Corruption
schreibt, i
st wahr. Auch i
st er
größenwahn
sinnig und kommt
sich that
sächlich als gottge
sandter Me
ssias vor.
Ander
seits gibt ihm aber gerade nur die
ser Wahn
sinn die ungeheure Kraft, mit der er
manchmal drein
schlägt.
|Sokal war bei mir; er gefällt mir gut. Scheint ein ge
scheiter und ern
ster Men
sch zu
sein. . . .
Ich wünsche Dir von Herzen Glück zum neuen Jahr. Mir ahnt, daß das Jahr
1895 wichtig für Dich werden wird. Sieht es nicht vertrauenerweckend
aus? Mit seiner runden Fünfheiten!
Was aber auch geschehen mag, Gutes oder Allerbestes, wir bleiben die Alten, nicht
wahr?
Herzlichst und in Treue Dein
Paul Goldmann.
|Bitte, empfiehl’ mich Deiner Frau
Mutter und richte ihr meine ergeben
sten Neujahrs-Wün
sche aus.
Was liest Du jetzt?