|mein lieber guter
Arthur,
ich will Ihnen aufrichtig sagen, dass mich Ihr Telegramm sehr verletzt hat. Ich will
es deswegen lieber aussprechen als verschweigen, weil ich glaube, dass das, was an solchen Dingen für mich so verletzend ist, von Ihnen, als höchst unwichtig, kaum |bemerkt wird und
dass das Ganze in dem Moment vermieden wäre, wo Sie überhaupt
zum Bewusstsein davon kämen.
In den 10 Jahren, seit wir uns kennen, hab ich die unaufhörliche Freude eines intimen
Verkehrs mit Ihnen immer unter solchen Formen |genießen können, die Ihre
Bequemlichkeit in Bezug auf Ort und Stunde des Zusammentreffens etc nie tangiert
haben. Es war nicht nur für Sie, sondern auch für mich bequemer, es war durch alle
Umstände gegeben, dass Sie fast nie zu mir gekommen sind und ich oft zu Ihnen etc.
etc.
|Und andererseits haben Sie in
dieser langen Zeit wohl auch bemerken können, dass mir ziemlich fern liegt Sie irgend
wie durch Bekanntmachen mit Leuten etc in Anspruch zu nehmen.
Nun ereignet
sich ein be
sonderer ganz vereinzelter Fall: eine
Frau, mit der ich ziemlich befreundet bin,
|und die wirklich eine
merkwürdige
Frau i
st, durch
eine
seltene Überein
stimmung von Güte, Vornehmheit und wirklichem Gei
st, dabei von
der äußer
sten Zurückhaltung, i
soliert und fa
st men
schen
scheu, die
se
Frau erfreut mich (ich gebrauche das Wort
in
seiner wirklichen Bedeutung)
seit jeher durch ihre warme
|und kluge Auffa
ssung aller Ihrer
Arbeiten. Und die
se
Frau, spricht mir, ganz ausnahmswei
se, ihrer Art gar
nicht ent
sprechend, lebhaft und mehrmals den Wun
sch aus, Sie einmal zu
sehen. Ich
antworte: ganz gern, ganz leicht, einmal bei mir draußen. Es vergeht der Herb
st, der
Winter, es
|kommt das
unfreundliche Frühjahr und da
sie furchtbar an Neuralgien leidet,
sagt
sie:
so werde
ich wieder nicht nach
Rodaun kommen, und ich füge
hinzu: und das mit dem Schnitzler wird nicht zu
sammengehen. Im Augenblick fällt uns
ein, da
ss
sie in ihrer Wohnung
|ganz allein i
st, ihre
Söhne in
Prag, ihr
Mann an der
Riviera, und es kommt uns, mit der halb
kindi
schen Freude, etwas ungewöhnliches zu arrangieren, der Gedanke an die
ses
Früh
stück. Aus Be
scheidenheit fügt
sie hinzu, man
sollte, damit Sie
sich nicht
langweilen, noch
|jemand
Ge
scheidten einladen der Ihnen neu und unterhaltend
sein könnte, ich
schlage
Kassner vor, den ich Ihnen
schon lange bekannt
machen wollte, man wählt die Stunde des Früh
stücks, die Sie in nichts
stören kann,
weil
|ich weiß da
ss Sie
nachmittags gern arbeiten und Ruhe haben, es i
st eine
Wohnung in der inneren Stadt,
–
ich überschreite eine seit 10 Jahren geübte Zurückhaltung und trage Ihnen diese Sache
als herzlichen Wunsch oder Bitte von |mir vor, und Sie antworten, dass
Ihnen Mittagseinladungen in der nächsten Zeit unbequem sind!
Ich kann wirklich nicht weiterschreiben, weil ich zu erregt bin, und die Thränen in
den Augen |habe, natürlich nicht
vor Rührung sondern vor Zorn.
Da Sie aus dieser Heftigkeit vielleicht gerade bemerken, wie herzlich gern ich Sie
habe, so hoffe ich, dass dieser Brief Sie in keiner hässlichen Art ärgern wird.
Von Herzen Ihr
Hugo.