Verehrter und lieber Freund
Haben Sie herzlichen Dank für die gute Gabe, die Sie mir schickten, Ihr letztes
Schauspiel. Ich habe meine
Freude daran gehabt. Die Welt Ihrer Phantasie zieht mich immer an und erregt meine
Bewunderung, da ich selbst wenig Phantasie besitze und erstaune, dass ein anderer
all
das erfinden kann.
Seit lange beschäftigt es Sie, wie der Gedanke an den nahen Tod die Gefühle
beeinflusst,
Schleier der Beatrice,
Lieutenant Gustl, usw. Hier variiren Sie das
Thema; der Gedanke an den Tod des Liebsten wirkt ebenso. Sie sind ein Grübler über
den Tod, wie schon Ihr »
Sterben« zeigte. Die
Hälfte
|Ihrer Produktion ist
Thanatos, die Hälfte Eros gewidmet. Aber dadurch haben Ihre Arbeiten eine so grosse
Spannweite (wenn das Wort deutsch ist).
Ich las eine sehr unverständige
Kritik über Ihr
Werk in dem
Tag; es scheint mir, dass die meiste deutsche Kritik allzu viel fertige Begriffe
und Ansprüche mitbringt; sie ist weniger geschmeidig als die unsrige.
Es war mir sehr lieb, Sie jene Stunde bei
Fulda zu treffen. Ich möchte, dass
Sie wieder einmal nach
Dänemark kämen.
Ihr dankbar verbundener
Georg Brandes