|31. 5. 1926.
Verehrter Herr Grossmann.
Sie haben meine Zustimmung zu dem
Nachdruck der in der
Neuen Freien
Presse zu
Pfingsten veröffentlichten »
Bemerkungen« nicht abgewartet, doch da ich in jedem Fall
bereit gewesen wäre Ihnen diese Zustimmung zu erteilen, so habe ich auch nachträglich
nichts einzuwenden. Höchst ärgerlich aber ist mir, dass das vorletzte Aphorisma nur
zur Hälfte abgedruckt und dadurch zu einer pretentiösen Plattheit geworden ist.
Offenbar ist die 3. Spalte des
Originaldruckes der
Neuen Freien Presse
dem Setzer in Verlust geraten und er hat meine »Bemerkung« aus eigener
Machtvollkommenheit durch Hinzufügung eines Wortes zu Ende gedichtet. Sie lautet
daher im »
Tagebuch«: »Ob ein Mensch dich
bestohlen, betrogen, verleumdet habe – es könnte immer noch die Möglichkeit einer
Versöhnung, ja selbst eines späteren reinen Verhältnisses zwischen dir und ihm
bestehen. Ja, wenn es sich praktisch durchführen lässt –« (!!!)
In Wirklichkaut lautet die »Bemerkung« wie folgt:
»Ob ein Mensch dich betrogen, bestohlen, verlejde
verleumdet habe, es könnte immer noch die Möglichkeit einer Versöhnung, ja selbst
eines späteren reinen Verhältnisses zwischen dir und ihm bestehen. Ja, wenn es sich
praktisch durchführen liesse –ä: selbst mit deinem
Mörder könntest du dich nach geschehener Tat vielleicht trefflich verstehen, am
ehesten vielleicht mit ihm! Nur |zu einem Menschen, der
nicht weiss, was er dir getan hat, führt, selbst wenn du dieses Tun persönlich längst
verschmerztest, in aller Ewigkeit kein Weg zurück.«
(Es folgt dann noch ein Aphorisma, das dem Setzer selbstverständlich völlig entgehen
musste, da es auf der 3. Spalte stand.)
Ich bitte Sie sehr das Versehen richtig zu stellen und meine »
Bemerkung« in Gänze dem Original gemäss abdrucken zu
wollen
Den Empfang des Nachdruckshonorars im Betrage von S. 85.– bestätige ich mit bestem
Dank und bin mit den verbindlichsten Grüssen
Ihr sehr ergebener
Das letzte Aphorisma, wenn Sie es vielleicht noch nachträglich drucken wollen,
lautet:
»Es ist schon oft genug vorgekommen, dass ein Bösewicht aus Klugheit etwas Gutes,
aber noch nie, dass ein Dummkopf aus Güte etwas Kluges getan hat.«
Herrn Stefan Grossmann,
Herausgeber des »
Tagebuch«,
Berlin.