|27. 5. 1926.
Verehrte liebe Frau Hofrätin.
Seit einigen Tagen
bin ich von meiner
Reise wieder zurück, die sehr schön und interessant war und höre, dass Sie in
Paris sind
und
Anfang Juni wieder zurückkommen. So will ich
Sie heute nur bitten mir, wenn Sie Zeit haben,
ein Wort über den Stand meiner Angelegenheiten
in
Frankreich mitzuteilen, insbesondere möchte ich
wissen, ob die »
Else« nicht bald erscheinen wird.
Das Honorar resp. die Garantie, die Herr
Delamain
bisher nicht geschickt hat, die 500 Francs, sind
ja indess auf etwas ganz Lächerliches zusammengeschrumpft. Man erzahlte mir im übrigen,
dass in
Frankreichjetzt die Verträge auf der Basis von
Zahlungen in
schweizer Francs durchaus abgeschlossen werden.
Haben Sie vielleicht auch etwas von
Nathan gehört? Und von »
Casanovas Heimfahrt«?
Herrn
Besnard bitte empfehlen Sie mich
bestens; er hat mich sehr dringend zum Besuch
des
Kongresses aufgefordert, ich habe ihm schon
von meiner Reise aus geschrieben, dass es mir leider nicht möglich sein wird nach
Paris zu kommen. Auch über den Aufschub der »
Kassian«-Aufführung hat er mir berichtet.
Die Uebersetzerin des »
Einsamen Weg«,
Frau
Bianquis, hat mir ein Buch geschickt, »
La Poésie autrichienne, de Hofmannsthal à Rilke«,
in dem sie (nach oberflächlicher Durchsicht)
vielfache, aber etwas fragwürdig geordnete Kenntnisse über die
österreichische Literatur verrät; insbesondere die Bibliographie ist überraschend zusammengestell
t.
|Ich erhielt ferner einen Brief von einer
Frau
Lahy-Hollebecque,
22, Avenue de l’Observatoire, die sich auf eine ihr im Jahre
1905 von
mir oder einem Vertreter erteilte Autorisation
zur Uebersetzung des »
Einsamen Wegs« beruft und
angibt, sie hätte nun die Möglichkeit das
Buch
drucken zu lassen. Wenn Sie erlauben, verehrte
Frau Hofrätin, schreibe ich der Dame, dass sie sich
mit Ihnen in Verbindung setzen möge. Erinnere ich
mich recht, so ist ja die
Uebersetzung von Frau
Bianquis noch keinem Theater vorgelegen.
Herzlichste Grüsse und hoffentlich
auf ein sehr baldiges Wiedersehen.
Ihr getreuer
Frau Hofrätin Bertha Zuckerkandl,
Paris.