Lieber, wir sind jetzt bald eine Woche da.
Otti braucht die Kur.
Kreuzbrunnen und
Ferdinandsquelle,
Moorbäder und Kohlensäure; sie befindet sich dabei sehr wol, und ihre Genesung macht
sichtlich Fortschritte. Ich habe auch mit einer Kur begonnen, aber nur einen Tag
ausgehalten. Um 5Uhr aufstehen und um neun erst frühstücken
könnte ich nur dann vertragen, wenn ich von hier aus erst noch auf vier Wochen
anderswohin zu Erholung ginge. Da ich mich aber ausruhen muss, hat es keinen Sinn,
wenn ich mich jetzt quäle, und dann vielleicht noch matter und noch nervöser nach
Wien zurückkomme. Den
Kindern tut
Mbd. unglaublich gut. Sie essen hier, dass wir eine Freude
haben. Und sie lernen endlich weite Spaziergänge machen, was man an der See weniger
übt, und wozu sie – durch unseren Garten – in
Wien
nie gelangt sind. Hier sind die Wälder herrlich, und die vielen Jausenorte, die
überall auf den kleinen Berggipfeln und Hochplateaus liegen, sind wirklich famos.
Wir
wohnen ganz ausserhalb von
Marienbad in einer
Straße, die nur auf der einen Seite Häuser, auf der anderen den Wald hat, zahlen für
zwei hübsche Zimmer 25fl die Woche, was sehr billig ist, haben das Mittagessen – und
was für ein Mittagessen! – für 60 Kreuzer die Person auf dem Zimmer. Das Frühstück
macht das
Fräulein, gejaust wird
irgendwo auf einem Berg. (
Rübezahl,Forstwarte,
Nimrod,
Egerländer u. s. w.) Und
Nachtmahl holt man sich in der
Delikatessenhandlung, die hier alle
Begriffe, die man sich in einer Delikatessenhandlung macht hoch
übertrifft. Ich verstehe, warum
Elias von
Marienbad so begeistert
|ist. Die Tennisplätze sind die
schönsten, die ich kenne. Man spielt eine halbe Stunde nach dem Regen. Wir haben eine
ganz gute Partie, ein taubstummes junges
Mädchen, die sehr nett
ist und sehr scharf spielt. Morgen früh kommt
Siegfried Jacobsohn hier an, von den
Kindern Onkel
Japottsohn genannt. Er bleibt bis Mittwoch und geht dann nach
Wien. Hier sind natürlich eine Menge Menschen, denen man nicht immer
ausweichen kann. Wir waren denn auch die ersten Tage in einem Gebrodel von
Berliner,
Lemberger,
Wiener,
Münchener und
Mannheimer
Leuten, von Wagenfahrten, Automobilpartien, u. s. w. Aber wir haben schnell gebremst
und leben jetzt ruhig. Wenn
Otti nicht früh
und Abend zum Brunnen müßte, würden wir noch weniger Verkehr haben. Die
Kinder trinken
Ambrosiusquelle (Eisen)
,
was immer ein großer Spass ist. Dann fahren sie Eselwagen, und da sie jetzt nacheinander Geburtstag feiern, ist ihr Jubel groß.
Annerl hat fabelhafte Erfolge, während die tieferen Naturen
Pauli schätzen. Neulich haben die
Kinder im Wald
Theater gespielt und
Rothkäppchen aufgeführt.
Sie waren förmlich betrunken davon, dass da ein wirklicher Wald war, und man kann
sagen, dass es auch sonst eine vortreffliche Aufführung gewesen ist. – Wir haben
manchmal auch schon
Schlenther gesehen. Er
sieht aus, als ob er heimliche Balggeschwülste und Drüsen hätte.
Hier arbeite ich nur
Kleinigkeiten, die von der
Redaction verlangt werden, sonst nichts. Ich habe in
Wien allerlei gemacht. Darunter die drei kleinen
Stücke, die nun in Maschinschrift vorliegen. Wenn ich sie im Herbst noch erträglich
finde, les’ ich sie vielleicht
|vor. Im September schreibe ich den »
Hund v. Florenz«. Er ist jetzt ganz fertig dazu
und vielfach verändert. Könnte ich die Zeitung los sein, wäre ich froh und vermöchte
vielleicht einiges Gute zustande zu bringen. Mir wird die Zeitungschreiberei immer
leerer und leerer. Bin ich wirklich im September mit dem
»
Hund« fertig, dann mache ich die Seereise.
Der
Gardasee genügt mir davor wirklich nicht.
Im Übrigen wissen Sie ja, wie es mit meinen Plänen geht. Von zwanzig projektirten
Reisen werden zwei verwirklicht. Am 1. Septbr. bin ich
jedenfalls in
Wien. Vorher zwei, drei, Tage
Semmering oder
Schneeberg.
Auf Wiedersehen, und viele herzliche Grüße von
uns zu Ihnen. Schreiben Sie mir bald
wieder.
Aufrichtig
Ihr
Salten
Hier das
Feuill. aus dem »
Morgen« das Sie wünschten. Die »
engl. Reise« suche ich selbst schon seit
Monaten vergebens. Sonst hätten Sie sie schon.
Pötzl habe ich nicht zur Hand.