D
r Goldmann hat mir eine grosse Freude bereitet,
als er mir zur Bekanntschaft mit Ihrem »
Märchen«
verhalf. Wir sassen damals auf der Journalistentribüne des
Palais Bourbon, wohin mich ja der wunderliche Lauf meines
Lebens gebracht hat, u. sprachen von
Wien, das mir
mit den Leiden u. Beschwerlichkeiten an denen es für mich so voll war zu verblassen
beginnt.
Goldmann war sehr entzückt von diesem
Wien. Stadt seiner Freunde! Er nannte Ihren
Namen. Ich war ziemlich erstaunt, Sie so rühmen zu hören. Gestatten Sie mir das zu
sagen. Ich hatte, obwol mir
|schon
einige Ihrer Dialogsachen die so viel Geist sprühen bekannt waren, doch nicht seine
Meinung von Ihrem Talent. Persönlich waren Sie mir aber geradezu unsympathisch. Ich
hatte Sie in der letzten Zeit in Gesellschaft einiger »Jungen« von Profession gesehen, und die früheren Begegnungen hatten mich in Ihnen
einen dünkelhaften Menschen sehen lassen, der auf allerlei Albernheiten der
Gesellschaft herumritt.
So thöricht und gewissenlos ist unser Urtheil. Vielleicht ist
Ihnen auch schon Ähnliches passirt – vielleicht sogar mit mir. Ich bin jedenfalls
voll von Reue über meine Leichtfertigkeit, u. ich bat Ihnen Alles ab, als ich Ihr
Märchen gelesen hatte. Denn wir, die selber
wissen, welche Schmerzen sich uns zum Gedicht verklären, sehen ja auch den
|Menschen deutlich, der uns das
Menschliche erzählt. Der Rückschluss auf den Schreiber – wenigstens auf die Zeit
seiner Entwicklung, in der es entstand – aus dem Geschriebenen ist ganz untrüglich.
Und wie ich dieses feine
Werk
bewegt genoss, hatte ich ungefähr den Gedanken
, der
jenes Sentimentalen, der eines versäumten Weibes gedenkt: oh, toi que j’ eusse aimé – oh toi qui
le savais. Ja, wahrhaftig, Sie hätten sich längst denken
können, dass ich Sie lieben würde, wenn ich das von Ihnen wüsste, was ich jetzt
weiss.
Dass Sie mich, der ich doch in
Ihrem
Bezirk
wohnte, nicht aufsuchten, ist jetzt für mich eine Beschämung wie wenn man nicht zu
einem Fest mit Anderen geladen wird, u. es würde mich zur Demuth mahnen wenn ich
solcher Winke bedürfte. Denn offenbar haben Sie
|in meinen Schmierereien, die an
öffentlicheren Orten erschienen, nie einen solchen Ton gefunden, der Ihnen zum Herzen
ging. Sie sind zu fein, mein lieber Poet, um in dieser Bemerkung nicht genau das zu
finden, was sie enthalten soll.
Gerade zu solchen Leuten, wie Sie sind, hätte ich
immer gern gesprochen. Scheint mir nicht gelungen zu sein.
Ich, mein lieber
Schnitzler bin übrigens bereits mit mir in Ordnung. Auf dem Theater, mit dem ich
abgeschlossen habe, ist es mir schlecht u. närrisch ergangen.
Stücke, an die ich
glaubte, in denen ich künstlerisch strebte, kamen gar nicht zum Vorschein. Wenn ich
in einer gewissen gierigen Verzweiflung zum Handwerk hinabstieg, wurde ich aufgeführt
– und
von ×××× verhöhnt.
××× ×××××××× ×××× ×××××× ×××× ××× ××××× wenn ich – was äusserst selten geschieht – an meinen Platz in der deutschen
Literaturwelt denke, muss ich ergötzt lachen. Ich stehe weit
|hinter
Triesch. Muss Ihnen aber sagen, dass ich dadurch nicht bitter geworden bin.
Alle Schmerzen erziehen uns. Und mit einer heiteren Philosophie, die ich früher nicht
kannte, sehe ich dem Treiben auf dem Markt zu. »Junge«, »Alte«, Realisten, u. s. w.
je m’en fous.
Wenn ich aber so ein Talent wie Ihres aufblühen sehe, freue ich
mich, wie wenn ich nie ein Literat, das heisst ein engherziger unduldsamer neidischer
boshafter Tropf gewesen wäre, freue mich wie über die Nelken da unten im Garten, die
erwachen. von ×××× ××× ××××× ×××
Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich so gesetzt spreche, es soll keine
verletzendere Ueberlegenheit sein, als die eines etwas älteren Bruders. Denn Ihre
Art
u schreiben muthet mich ganz verwandtschaftlich an. So ungefähr mein Lieber, hätte
ich wol auch |schreiben mögen.
Wenn ich nicht sehr irre, sind Sie auf dem rechten Weg. Ich hoffe bestimmt, dass Sie
die reizendsten Lustspiele schreiben werden, die wir seit
Sardou hatten.
Das ist kein Lapsus. Ich meine nicht den
Sardou der Atrappen, Bühnenmätzchen,
Sarah-Bernhardtrollen u. s. w. sondern den, dessen Ton an einigen Stellen
der
pattes de mouche klingt. Werden Sie
standhaft sein, sich vom Pöbel der Theater u. von den Bengeln der Kritik nicht
beirren lassen, werden Sie – was ich leider nicht that – sich selber treu bleiben,
so
werden Sie der
Alkandi werden, dessen Lied
Alle singen müssen, ob sie wollen oder nicht. Sie haben ein sehr süsses Lied in der
Kehle, mein lieber Schnitzler, vergröbern
|Sie es um Gotteswillen nicht. Bleiben
Sie nur sich treu.
Ich will damit nicht sagen, dass Sie sich in die
Anatol-Manier verbeissen sollen. Ich kenne einige dieser reizenden Sachen
(ich rechnne darauf, dass Sie mir das
Buch schicken) u. hatte schon eine kleine Selbstgefälligkeit
in diesem charmanten Schwerenötherton wahrgenommen. Ich zweifle keinen Augenblick
daran, dass Sie sich davon freimachen u. höher, hoch schwingen werden.
Ich weiss nicht, wie es dem
Märchen bei der
Aufführung gehen wird. Vielleicht schlecht. Lassen Sie sich dadurch nicht eine
Sekunde verwirren. Es ist ein gutes Stück, dem die Lümmelhaftigkeit von
Premièrebesuchern nichts anhaben kann. Man wird finden, dass es ein nicht neues
Problem nicht
|bühnenmässig energisch
genug behandelt. Speciell die
Franzosen haben
derlei Conflicte mit der erforderlichen Rücksichtslosigkeit erschöpft. Ich gestehe
Ihnen sogar, dass ich auch von dem Schluss nicht ganz »befriedigt« war – so wahr ist
es, dass wir uns der Rohheit u. Trivialität üblicher Ansichten nie ganz entziehen
können. Ich glaube, ich erwartete etwas Sterben zum Schlusse. Dann aber erinnerte
ich
mich der vielen anmuthigen Sachen, die vom Anfang bis zu diesem matten Ende vorkamen,
u. ich dachte
mir dankbar: Bist doch mein lieber
Poet!
Ja, später gab ich Ihnen sogar Recht. So wahrheitsliebend die kleinen
Äusserlichkeiten bis hinunter zum Salon
wienerisch
(das ich
vor 7 Jahren in einem schlechten
Stück auch versuchte) sind – das Lustspiel oder wenn Sie
wollen
|Schauspiel foutirt sich im Grunde der elenden Wirklichkeit.
Es spielt zwischen Traum u. Erwachen. Und das ist für mich sein holder Reiz. Und da
in diesem Gebiet der Stimmung, halber Farben und des Dämmerns wäre eine gewaltsam
klärende Lösung thöricht u. störend. Ich glaube, Ihr Gefühl hat Ihnen das Rechte
eingegeben. Das Raisonnement hat Unrecht.
Man wird auch sagen: Wo existirt diese Gesellschaft, diese feuilletonredenden
Künstler, die mit Gigerln, zwei ungleichen Schwestern und einem ernstnüchternen Mann
im Hause dieser blinden Mutter verkehren? Ich habe den Eindruck, dass da halbwahre
Beobachtungen vorliegen, getrübt durch literarische Erinnerungen, aber farbig
verklärt durch das liebende Auge eines wirklichen Dichters. Ich vermuthe, dass Sie
allmälig auf die halben Wahrheiten verzichten werden, die nur stören
|u. dass Sie sich wenn Sie
Empfindungsdramen u. Stimmungslustspiele schreiben,
werden von den kleinen Allotriis des
Wiener Dialects u. dgl. zurückziehen werden. Das ist charge d’atelier, die wahrscheinlich diesmal bei der Aufführung
gut wirken wird, Sie aber nicht verführen soll, hier Ihre Wirkungen zu suchen.
Mit einem Wort, lieber Schnitzler: ich glaube an Sie. Und wenn Sie immer nur zu Ihrem
eigenen Gaudium schreiben werden, so werden Sie uns Andere sehr erfreuen. Ein
abschreckendes Beispiel, wohin die Concessionen führen, sehen Sie an mir. Ich könnte
freilich manchen Umstand meines Lebens als mildernd für meine Irrthümer anführen,
aber wer kümmert sich um Anderes als das vorliegende Werk.
Noch möchte ich wünschen, dass Sie nicht in die Kloaken einer Coterie gerathen,
sich von kleinlichem |Lob nicht
verzärteln, von engherzigem Tadel nicht verdrossen machen lassen sollen. Als einem
feinen Menschen wird Ihnen der Schlamm des Theaterlebens manchmal die Galle heben.
Man spuckt aus u. geht weiter. Vorwärts.
Ich werde Ihre Fortschritte mit Freude und Theilnahme verfolgen. Zu weit ins
Geschmackvolle glaube ich nicht verirrt zu sein, und wenn ich, der ich ja auch wie
der erstbeste dumme Junge und wie andere durchgefallene Dramatiker Kritiken schreibe,
wenn ich Ihre Sachen mit Wohlgefallen lese, wage ich zu vermuthen, dass Sie auch
einem Publicum gefallen werden.
Ich grüsse Sie herzlich als Ihr aufrichtig ergebener
Th. Herzl