Ihr herzlich ergebener
Th. Herzl
heute antworte] Herzl hatte bereits sechs Tage zuvor am 13. 5. 1893 eine Antwort verfasst, diese aber nicht abgesandt. Der nicht verschickte Brief (1 Blatt, 3 Seiten, schwarze Tinte, lateinische Kurrent; mit Bleistift beschriftet: »Brief an Schnitzler«, mit Bleistift von Leon Kellner Markierung von Stellen für die Publikation) befindet sich in Herzls Nachlass in Jerusalem. Der Brief enthält, anders als der später versendete, eine Reflektion über Herzls Selbstverständnis als Theaterautor und Journalist: »Nouvelle Presse Libre / 8, Rue de Monceau / Dr Th. Herzl / Mein lieber Freund! / Wie ernst muss es mir mit meinem Entschlusse sein, meine Theaterstücke begraben sein zu lassen, wenn ich sie selbst auf Ihre liebe und unter solchen Umständen wiederholte Aufforderung nicht hervorhole. / Verzeihen Sie es mir, aber ich will nichts mehr von mir wissen. Ich bin nur mehr Journalist. Ich gehe als Comfortabelpferd in der Gabel, und nur wenn eine Militärmusik vorüberspielt, mache ich einige komisch aussehende Tanzschritte. / Ich glaube, Ihnen das schon einmal auseinandergesetzt zu haben. Es ist weniger Verdruss über meine Misserfolge, über die wegwerfende Behandlung, die mir von der Kritik zu theil wurde – denn was sie loben macht ihren Tadel werthlos – als Reue über meine frühere leichtsinnige unkünstlerische und erfolghascherische Production. Zur Strafe habe ich mich eingemauert und begraben. Aber wäre ich frei, hoffnungsvoll wie in meiner Jugend, könnte ich dichtend in irgend einer angenehmen Landschaft herumwandeln – ich glaube, ich schriebe doch nichts mehr fürs Theater. Ich glaube, ich würde still in mich hineinraisonniren und lächeln und empfände nicht das Bedürfniss dem Premièrenpublicum von Wien oder Berlin oder irgend einer anderen Stadt sein Händeklätschen herauszulocken. / Ich glaube es am 13 mai 893 wie nun schon ununterbrochen. Die Stimmung ist so dauerhaft, dass sie wol schon die definitive ist. / Sie aber sollen schreiben. Jetzt auch, weil es beitragen wird, Sie zu trösten. Was haben Sie in der Arbeit? / Im Sommer, lieber Freund, komme ich auf ein paar Wochen nach Oestreich, nach Baden bei Wien: Wir erwarten die Entbindung meiner Frau von Stunde zu Stunde. Sobald sie reisefähig sein wird begleite ich sie mit meinen drei Kindern nach Baden. Kinder sind noch das beste Mittel, uns zu perpetuiren. / Ich würde mich, wie Sie sich denken können sehr freuen, Sie zu sehen, wenn ich nach Oestreich komme, und mit einem Freund zu plaudern, den ich erst gewann, als wir nicht die Möglichkeit hatten, miteinander zu verkehren. / Wer weiss übrigens? Das ist vielleicht die beste Grundlage einer Freundschaft / Ich grüsse Sie herzlich ihr aufrichtiger / Th Herzl / 13/5 893«
die Entbindung] Am 20. 5. 1893 kam die dritte Tochter Margarethe, genannt Trude, zur Welt.
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Bei Fragen, Anmerkungen, Kritik, aber gerne auch Lob, kontaktieren Sie bitte Martin Anton Müller.
Versand: | 19. 5. 1893 Herzl, Theodor Paris |
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Empfang: | Schnitzler, Arthur Wien |
Signatur | GB, Cambridge, University Library, Schnitzler, B 39 |
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Typ | Brief |
Beschreibung | 1 Blatt, 2 Seiten, 908 Zeichen |
Handschrift | schwarze Tinte, lateinische Kurrentschrift |
Zufügungen | |
Ordnung | mit Bleistift von unbekannter Hand nummeriert: »9« |
Eine zitierfähige Angabe dieser Seite lautet:
Theodor Herzl an Arthur Schnitzler, 19. 5. 1893. In: Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren. Digitale Edition. Herausgeben von Martin Anton Müller mit Gerd Hermann Susen, Laura Untner und Selma Jahnke, https://schnitzler-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L03829.html (Abfrage 4. 9. 2025)
Für gekürzte Zitate reicht die Angabe der Briefnummer aus, die eindeutig und persistent ist: »L03829«.
Für Belege in der Wikipedia kann diese Vorlage benutzt werden:
{{Internetquelle
|url=https://schnitzler-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L03829.html |titel=Theodor Herzl an Arthur Schnitzler, 19. 5. 1893 |werk=Arthur Schnitzler:
Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren |hrsg=Martin Anton
Müller mit Gerd-Hermann Susen, Laura Untner und Selma Jahnke |sprache=de
|datum=1893-05-19 |abruf=2025-09-04 }}
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Theodor Herzl an Arthur Schnitzler, 19.5.1893
Quelle: Theodor Herzl: Briefe und autobiographische Notizen. 1866–1895. Bearbeitet von Johannes Wachten in Zusammenarbeit mit Chaya Harel, Daisy Tycho, Manfred Winkler. Berlin: Propyläen 1983. (Theodor Herzl: Briefe und Tagebücher. Hg. Alex Bein, Hermann Greive, Moshe Schaerf, Julius H. Schoeps. Erster Band)