|Grand Hôtel le 20 / II 1895
Mein liebster Freund,
auf einer Jagdpause nur zwei Zeilen. Für Ihren lieben, sehr lieben Brief habe ich ihnen schon telegraphisch gedankt. Ich folge Ihrem Rath,
mich wenigstens dem Director zu nennen – da man es nun eben leider mit niederen
Menschen zu thun hat u. ich das
Stück ebensogut ungeschrieben hätte lassen können, wenn es nicht einmal
gelesen wird. Aber ist es für uns nicht sehr demüthigend zu denken, dass zu dieser
Zeit ein wirklicher Schnabel mit ungelesenen Manuscripten herumvagabundirt
u. verzweifelt. Und vielleicht hat er mehr Talent als der Pseudoschnabel!
Also nennen Sie mich in Gottes Namen dem
Müller
Guttenbrunn, wenn er sein Ehrenwort gibt, das Maul zu halten.
Müller ziehe ich
Bukovics vor, weil ich glaube, dass er sein Wort hält.
Bukovics hat mir einmal sein Wort gebrochen
(Annahme von »
Was wird man sagen«) und darauf
ist er gestrichen u. gelöscht. An so was rühr' ich nicht mehr an.
|Müller ist mir auch darum lieber weil ich
weiss, dass ich ihm zuwider bin, u. meine
Sehnsucht nach
ehrlichen Bitternissen wird so ein wenig befriedigt. Die ganze Illusion, dass
ich mir Aufführung u. event. Erfolg mit dem
Stück selbst erworben habe, geht dabei in die Brüche, denn
vielleicht ist
Müller ein Opportunist
geworden, u. rechnet mit der
N. Fr. Pr.
Ueberschätze ich meine
Zeitung?
Vielleicht! Aber verstehen Sie doch, dass das mein Trost in der Handwerkerei ist!
Uebrigens wird mich vielleicht
Müller vor
Ihnen rehabilitiren, indem er das
Stück ablehnt. Dann habe ich wenigstens
Ihnen gegenüber Recht gehabt.
Dann kommt
Prag, dann werde ichs unter meinem
Namen drucken lassen, dann werde ich mit dem Revolver die Aufführung
erpressen. – –
Sie wissen, dass ich scherze. Nach
|Prag ist's aus.
Haben Sie noch so lange Geduld mit mir!
Warum hat Ihnen meine
Heimatkritik nicht gefallen? Schreiben Sie mir das sofort! War ich
Sudermann zu günstig? Es ist schwer. Ich kenne
diesen lieben, diesen ehemals lieben
Menschen seit 8 Jahren. Ich hatte u. habe ihn noch gern.
Ich finde seinen Erfolg übertrieben, aber ursprünglich gerechtfertigt. Im Erfolg ist
nie das rechte Mass. Nun klagt er mir über seine
Feinde. Ist aus alledem, namentlich aus dem Wunsch, seinen Erfolg nicht
literarisch gegen ihn sprechen zu lassen, eine
Ueberschätzung geworden?
Sagen Sie mir das.
Pudelnärrisch ist, dass ich mich wegen der hiesigen
Aufführung, resp. wegen meiner
Berichte mit ihm überworfen habe. Er war mit meinen
Berichten nicht
zufrieden – darauf habe ich ihm einen
|Absagebrief geschrieben. Das alles unter uns.
Wir plaudern noch darüber, bis ich mehr Zeit habe.
Leben Sie wohl und haben Sie viel viel Glück und Freude mit Ihrem
Stück! Sie sind kindisch, auch nur zu
erwähnen, dass sie dem
Deutschen Theater die
Burgannahme mittheilten. Das war so
selbstverständlich u. correct wie nur möglich.
Herzlich der Ihrige
Th H.
Kann ich Ihr
Stück nicht
vor der Aufführung lesen? Ich glaube, gegenwärtig finden Sie keinen, der Ihnen mit
besserer Meinung rathschlagt als ich.