|Lieber Freund,

ich sende Ihnen hier den Brief, welchen ich gestern Abends vorgefunden habe. Es würde sich nun doch vielleicht empfehlen, wenn Sie Ihre Anwesenheit in Wien benützten, um der Angelegenheit einen Ruck nach vorwärts zu geben. Dass diese erste erfreuliche Kundgebung mit Ihrem Eintreffen |in Wien zusammenfällt, wollen wir als günstige Vorbedeutung nehmen, und ich kann mich der Hoffnung nicht erwehren, dass eine persönliche Rücksprache von Ihnen mit M. G. der Sache eine rasche und glückliche Wendung gäbe.
Seien Sie vielmals herzlich gegrüßt von Ihrem treu ergebnen
ArthSch
27. 3. 95
 
Wien, am 26. III 1895

Verehrter Herr Dr Schnitzler!

Ich habe das Schauspiel ›Ghetto‹ mit außerordentlichem Interesse gelesen u. halte das Stück, obwohl mich die Lösung nicht befriedigte u. ich dem Helden mehr Spielraum gegönnt hätte, für eine der interessantesten Arbeiten, die mir seit Langem untergekommen. Das Stück hat frappante Züge von Lebenswahrheit, es ist reich an feinem Detail u. es wird getragen |von einer Idee, der man weder die Natürkichkeit, noch die tiefere Bedeutung absprechen kann.
Und trotz alledem – würden Sie es aufführen? Und glauben Sie, daß sich irgendwo in deutschen Landen ein großes Theater findet, welches »Ghetto« aufführt? Ich glaub es nicht! Sie können das Stück also ruhig noch einige Tage hier liegen lassen, ich will es noch von andern, ganz unbetheiligten Personen, deren Urtheil mir werthvoll ist, lesen lassen. Wenn das Stück in Wien jemals aufgeführt wird, so kann dies nur im R. Th. geschehen. Dank werden wir kaum dafür ernten, weder von den Juden, noch von den Antisemiten! Den Herrn Schnabel würde ich gerne sprechen.
Ihr ergebenster MGuttenbrunn
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