|lieber Doctor Herzl,

ich habe eine Erzählung geschrieben, die ich Ihrem freundlichen Wunsch entsprechend, gern für die Weihnachtsnummer hergäbe. Nur issie etwas lang gerathen, etwa 9 Längspalten (1 ½ Bogen). Andrerseits läßt sie sich aber gar nicht theilen, und so wäre vielleicht gerade die Weihnachtsbeilage der N. Fr. Pr.|die richtige Stelle für sie. Bitte sagen Sie mir, ob ich Ihnen die Geschichte senden darf.
Noch eins bei dieser Gelegenheit. Durch Beer Hofmann habe ich erfahren, dass Sie sich heuer in Aussee durch eine gewiss nicht sehr geistreiche aber eben so gewiss nicht bös gemeinte Bemerkung von mir verstimmt oder gar verletzt gefühlt haben. Das thut mir sehr leid. Alle äußeren Entfremdungen |und Misvertändnisse, die im Lauf der Jahre zwischen uns vorgekommen sind und nach der Natur der Dinge und unseren Naturen wahrscheinlich vorkommen mußten, haben, meiner aufrichtigen und in vieler Beziehung sehr herzlichen, Verehrung für Sie nichts angehabt. Ich kann nicht denken, dass Sie einen Scherz übel nehmen wollen, dem auch die leiseste Spur einer kränkenden Absicht fehlte. Da Sie |das wunderlicher Weise nicht selbst fühlten, muss ich es heute sagen; denn er wäre beinah leichtfertig, eine Unklarheit, die so leicht aus dem Wege zu räumen ist, zwischen uns zu belassen.
Ich drücke Ihnen die Hand und bin Ihr
herzlich ergebner
Arthur Schnitzler
Wien 15. 11. 900.
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