|Wien , 22. 12. 900

lieber Freund,

ich habe Ihnen den Lieutenant Gustl auf Ihren Wunsch vor eben 6 Wochen für die Weihnachtsbeilage geschickt; habe damals u noch später ausdrücklich betont, dass eine Theilung der Novelle aus künstle¬rischen Gründen unthunlich, dass ich aber gern zu Kürzungen bereit sei: Ich selbst machte Sie auf die Länge der Novelle aufmerksam und Sie, lieber Doctor sollen Gele|genheit, 6 Wochen lang Gelegenheit, über die Möglichkeit der Unterbringung in der Weihnachtsbeilage klar u schlüssig zu werden. Und heute, am 22. Dez., zwei Tage vor Weihnachten, nachdem ich genöthigt war, Anträge andrer Zeitungen zurückzuweisen, kommen Sie mit der Mittheilung, dass die Novelle für die Weihnachtsbeilage zu lang sei, stellen in Aussicht mir,  meine Novelle in Fortsetzungen erscheinen zu lassen und Sie sprechen nun von Raumrücksichten, auf die ich Sie längst aufmerksam gemacht, was Sie mit den Wor|ten zurückwiesen, das sei Ihre Sorge! Mein lieber Freund, das kann nicht Ihr Ernssein. Ich glaube sogar annehmen zu dürfen, dss nicht Sie es sind, der sich mir gegenüber diesen verblüffenden Mangel an Rücksicht zu Schulden kommen läßt. Denn es ist ganz selbstverständlich, dass in dem vorliegenden Fall die Neue Freie Presse verpflichtet wäre, um die Vereinbarung gegen mich zu erfüllen, die sie auf eigne Initiative, auf eignen Wunsch, trotz des von mir |selbst vorgebrachten Bedenken, ausgegangen ist, die Raumschwierigkeiten durch Einfügen eines oder mehrerer Blätter mehr zu besiegen. Soweit ich in Betracht komme, gestatte ich aus den von Ihnen gekasten und stillschweigend gewürdigten künstlerischen Gründen den Abdruck der Novelle »Lieutenant Gustl« in Fortsetzung, unter keiner Bedingung, und müßte, wenn die Raumschwierigkeiten sich nicht beheben lassen, höflichst um Rückstellung meiner Arbeit ersuchen.
Herzlich grüßend Ihr Arthur Schnitzler
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