|2. 4. 1925.

Liebe und verehrte Frau Hofrätin.

Meine Karte haben Sie wohl erhalten und sind wohl mit mir einverstanden, dass wir vorläufig einmal die Abschrift von ein oder zwei Akten der Bianquis’schenUebersetzung abschreiben lassen. Sollten sie es aber für richtig oder auch nur im geringsten aussichtsvoll halten gleich die Abschrift des Ganzen anfertigen zu lassen, so gebe ich Ihnen Vollmacht in jeder Ihnen geeignet erscheinenden Weise zu verfügen und komme für die Kosten auf.
»Das weite Land« dürfte ja an sich mehr Chancen haben, wenigstens auf der französischen Bühne und es ist geradezu rührend, dassLenormand sich die Mühe nimmt die Uebersetzung in Stand zu bringen. Bitte danken Sie ihm vielmals in meinem Namen; eben lese ich sein schönes Novellenbuch, das er so freundlich war mir zu schicken.
Was »Liebelei« anbelangt, so hat die wahrscheinlich einzige Aufführung in der schlechten Uebersetzung von Jean Thorel im Jahre 1902 in Dunkerke stattgefunden und ich glaube mich auch zu erinnern (sonst hätte ich ja auch von der Aufführung nie etwas erfahren) die Summe von zehn Francs erhalten zu haben. . Man wird ja jedesfalls eine neue Uebersetzung anfertigen müssen; dass das Verfügungsrecht für Frankreich längst wieder mir allein gehört, haben wir ja schon festgestellt. Ich bin ja auch der Ansicht, dass eine Aufführung der »Liebelei« an ei- nem guten Pariser Theater das Wünschenswerteste wäre. Dazu müsste man die »Literatur« |geben. (Wie es übrigens vor dem KriegLugné Poes Absicht war). Zur Einakterfrage kann ich begreiflicherweise nichts Neues bemerken. Nach wie vor halte ich trotz Géraldy »Die grosse Szene« für den wirkamsten, vorausgesetzt, dass sich der grosse Schauspieler für die Hauptrolle findet. Der »Kakadu« kommt gleichfalls in Betracht, obwohl er schon bei Antoine gespielt wurde. Immerhin könnte man auch an die »Frau mit dem Dolche« denken; – die Schwierigkeit wird eben immer bleiben den guten Uebersetzer zu entdecken. Wie schade, dass die meisten französischen Poeten nicht deutsch können. Ich erinnere übrigens daran, dass auch »Die Stunde der Erkenntnis« von Mad. Bianquis übersetzt (?) ist und dass Lugné Poé eine Aufführung in Betracht zog.
Im Ganzen halte ich die Aufführung eines abendfüllenden Stückes oder eines Einakterzyklus an irgend einem andern guten Theater für erstrebenswerter als die Aufführung eines Einakter an der Comédie française. Von Balzagette habe ich einen Brief: Er liest eben die Korrekturbogen von »Sterben«. Von Grasset keinerlei Nachricht; auch von Nathan habe ich nichts weiter gehört seit »Casanovas Heimfahrt«.
Wann kommen Sie zurück, verehrte
Freundin? Seien Sie sehr herzlich gegrüsst
und immer wieder vielmals für Ihre Bemühungen bedankt.
Wie immer
der Ihrige
 
|Eben kommt der beigeschlossene Brief aus Paris. Ich muss bemerken, dass ich Mme Maury keinerlei keine bestimmte Autorisation erteilt hatte, ich erwähnte nur, dass ich prinzipiell gegen eine Uebersetzung einzelner Novellen nichts einzuwenden hätte, aber vor allem um einen Honorarvorschlag ersuchte. Wenn Sie es für richtig halten, verehrte Freundin, so setzen sie sich vielleicht mit Mme Maury schon in Rücksicht auf die in ihrem Brief erwähnte Mademoiselle Bianquis in Verbindung. Andernfalls senden sie mir gütigst den Brief zu¬ rück und ich antworte ihr persönlich, glaube aber den Honorarvorschlag nicht annehmen zu sollen.
Ihr
1 Beilage.
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