Eduard Michael Kafka an Arthur Schnitzler, 24. 2. 1893

Lieber Schnitzler,

bitte, schreiben Sie mir freundlichst, was Fels macht. Ist er wirklich in Meran, wie Bahr mir erzählte. Ich möchte ihn gerne, wenn’s geht, in den nächsten Tagen besuchen.
Ich traf Bahr in Berlin, vor einigen Tagen bei der »Gaea«vorlesung. Berti Goldschmidt hat dort einen ganz kolossalen Erfolg damit gehabt. Reicher las aber auch mit einer Meisterschaft, die sich in Worten nicht aus|drücken läßt: er bot eine unglaubliche, unübertreffliche Leistung, die ihm auf der ganzen Welt keiner nachmachen kann.
Ich sprach in Berlin mit Rittner über die Anatolsachen. Bitte, senden Sie ein Ex. an ihn, O. Schillingstr. 14II., – er wird sich sicher für die Sachen einsetzen, wenn Sie ihn in einem lieben Brief überdies noch recht schön darum bitten.
Auch an Jarno, bitte, schreiben Sie; die beiden jungen Leute können Ihnen |ganz außerordentlich viel nutzen.
Ich bin jetzt mit Reicher für ein paar Tage nach Breslau gefahren: er spielt morgen hier den König im Talisman zum erstenmale: ich bin sehr gespannt, was er damit machen wird.
An’s Magazin würde ich Ihnen raten, doch einmal ein Manuscript zu senden: ich höre doch von verschiedenen Seiten, Sie hätten eine so hübsche Novelle geschrieben. Auch dem |Berliner Tagblatt, wo Sie viele Freunde haben, in erster Linie Dr Levysohn selbst, u Neumann Hofer, der Sie sehr schätzt, möchte ich doch an Ihrer Stelle einmal eine kleine Skizze senden.
Was ist denn mit Ihrem neuen Stück? Bitte, schreiben Sie mir ausführlich über dasselbe. – Sie wissen, Sie haben einen aufrichtigen, guten Freund in mir: vielleicht kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein: ich bin ja jetzt Weltvagabund im großen Stil, heut da, morgen dort, u. überall doch nur gerade in den Kreisen, die Sie brauchen. Also!
Herzlichst Ihr
 Kafka
|P.S.
Jetzt habe ich richtig gerade an das vergessen, dessentwegen ich Ihnen eigentlich schreiben wollte.
Reicher las gestern bei einer Soiree hier, welcher ich gleichfalls beiwohnte, Ihre Frage an das Schicksal. Mit richtigem Beifall. Und natürlich in brillanter Weise. Reicher ist unermüdlich für Ihren Ruhm thätig. Sie sollten ihm doch wieder mal schreiben. |Dass er Ihnen nicht immer antwortet, daraus dürfen Sie sich nichts machen: er hat ja wirklich so haarsträubend viel zu thun.
Grüßen Sie mir doch freundlichst unsren lieben Loris u. die »anderen«. Hat noch immer keiner Lust, sein Bündel zu schnüren u. nach Berlin zu wandern?
Wenn ich nur schon wüßte, wohin ich von hier hinreisen soll! Nach Hamburg oder nach München? Oder soll ich zu Holländer, der Sie bestens grüßen läßt, nach Schreiberhau? Bis zum 15. März darf ich mich goldener Freiheit freuen!
 EMKafka.
Briefe treffen mich am besten jeweilig durch das literarische Auskunftsbureau Clemens Freyer, Berlin, Wilhelmstr 94/96, das mir alles nachsendet.
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