Directeur M. L. Sonnemann.
Journal politique, financier, Paris, 5. December.
commercial et litteraire.
Paraissant trois fois par jour
Mein lieber Freund!
Nachdem ich bisher vergeblich auf die ver
sprochenen Kritiken oder wenig
stens auf eine
briefliche Mittheilung über die
Premièren-Eindrücke
gewartet, habe ich mir das Nöthige von
Frankfurt
kommen la
ssen und bitte Dich, Dich nun nicht mehr zu bemühen.
Wenn ich aus der Sammlung der Kritiken, die mir vorliegt, die dummen Jungen wegla
sse
–
↓Neue Freie Presse,↓ Neues Wiener Tagblatt,
Volksblatt,
Vaterland etc. – und mich nur an
|die Zurechnungsfähigen halte, wie
Uhl,
Bahr und
Brociner,
so finde ich, daß man Dich hier auch mehrfach mißver
steht,
daß man Dir aber auch vielerlei Richtiges und Beherzigenswerthes
sagt. Be
sonders
Uhl halte ich für im We
sentlichen richtig urtheilend. Du erinner
st Dich, wir haben
oft im Streit gelegen, Du und ich, und ich meine noch heute, heute er
st recht, daß
Deinem glänzenden Talent beim Produciren die Disciplin fehlt. Auch beim Produciren
denk
st Du ein wenig zu
sehr an Dich und zu wenig an das Andere, an die Forderungen
der Kun
stform. Du
schreib
st Deinem Herzeleid zuliebe und nicht
|dem Drama zuliebe. Das i
st fal
sch. Ich komme immer
mehr dahinter, daß das Produciren ein Streben nach möglich
ster Objectivirung
sein
muß, am allermei
sten aber das dramati
sche Produciren. Ich habe das in
Paris noch mehr gelernt, habe daraufhin das »
Märchen« nochmals gele
sen und meine Aus
stellungen von früher
noch mehr be
stätigt gefunden. Erinnere Dich auch, was ich Dir
stets über den dritten
Act ge
sagt! Im Allgemeinen aber denke ich, daß Du mit Deinem
Debüt nicht unzufrieden
sein darf
st. Du
bi
st den Kennern
signali
sirt; alle Leute, die es ver
stehen, haben Dein großes
|Talent erkannt; die dumme Bande Publicum wir
st Du
jetzt ra
sch gewinnen. Aber jetzt
sofort weiter
schreiben! Vieles lernen aus den drei
zurechnungsfähigen
Kritiken! Und ein Drama machen, keine
Beichte, kein Tagebuch! Das ko
stet nur eine Willensan
strengung. Denn Du bi
st, ich
weiß es genau, ein Dramatiker allerer
sten Ranges. Mach’ auch einen neuen Ver
such mit dem
Alkandi, nachdem Du vorher den Schluß ver
stärk
t↓end↓ umgearbeitet ha
st. An
Uhl hatte ich ge
schrieben, damit er Dich nicht in der
Frkf. Ztg.
etwa
schlecht behandle. Ich glaube, er wer ganz an
ständig?