Von
Berlin bin ich nach dem
Haag beordert worden zur Friedensconferenz. Seit zehn Tage
n lebe
ich in einer unbe
schreiblichen Hetzjagd, und endlich heut finde ich fünf Minuten Zeit, um Dir von Herzen für Deinen lieben
Brief zu danken, der mir nach
Berlin
nachge
schickt wurde. Aber wichtiger wäre es mir, zu wi
ssen, wie es Dir geht? Ich
hoffe, näch
ster Tage nach
Frankfurt
zurückzukehren, und bitte Dich, mir
sofort eine Zeile
dorthin zu
senden, um mir zu
sagen,
|wie Du Dich
befinde
st?
In
Berlin habe ich natürlich den »
Grünen Kakadu« ge
sehen. Ich kann Dir nur offen
sagen, mit
jenem Freimuth, der zwi
schen uns Gebot i
st: Ich habe das
Stück nicht
sehr lieb. Es i
st ein
glänzendes und ein gei
streiches
Stück, das
seinen großen Erfolg wohl verdient; aber mir fehlt etwas darin, und ich habe die
Empfindung, daß Du weit, weit höher
steh
st, als die
ses
Stück. Und d
ann bleibe ich dabei: die
franzö
si
sche Revolution i
st
nicht
in dem
Stück, in der Stimmung,
sondern
sie wird nur
zum Schluß als Effekt von draußen, als Akt
schluß
verwendet. Sei mir nicht bös,
|ich habe vielleicht
Unrecht, aber jedenfalls i
st’s meine ehrliche, wohl erwogene Meinung. . . . . .
Vor meiner Abrei
se aus
Frankfurt habe ich etwas
erlebt, das für jeden Men
schen den Gipfel des Glücks bedeuten würde. Für mich i
sts
durch meine an Wahn
sinn grenzende Nervo
sität, die in die
sem Augenblick noch durch
Krankheit complicirt i
st, zu einer der größten
seeli
schen Kata
strophen ausge
schlagen
haben, die ich noch durchgemacht habe. Niemals
habe ich dem Selb
stmord
so nahe ge
standen, – niemals auch hätte ich Deines Tro
stes
und Rathes
be mehr bedurft. Aber es
steht ge
schrieben, daß wir von einander getrennt
sein
mü
ssen, wenn wir einander
|am Mei
sten nöthig haben.
Schon daß ich an Dich
schreibe, beruhigt mich ein wenig. Wie hätte es mich er
st
beruhigt, mit Dir zu
sprechen!
Grüß’ Dich Gott, liebster Freund! Schreib’ mir umgehend, was Du machst!
In Treue
Dein
Paul Goldmann.
In
Berlin sah ich
Kerr. Er hat mir diesmal
sehr gefallen; von Dir
spricht er mit echter Wärme. Es
i
st ein gutes Zeichen für ihn, daß er Dich ver
steht.