Karl Emil Franzos an Arthur Schnitzler, [3. 5. 1888 – 11. 5. 1888?]

|Redaction der »Deutschen Dichtung«.
Herausgeber: Verlag:
Berlin, den 3. Mai 1888.

Geehrter Herr Doctor!

Ein an sich nicht gerade erfreulicher Umstand, ein Unwohlsein nämlich, welches mich für einige Tage an’s Bett bannte und mir eine unfreiwillige Muße auferlegte, hat mir andrerseits ermöglicht, Ihrem Wunsche, Ihnen meine Ansicht über Ihre beiden Novellen zu sagen, schon jetzt entsprechen zu können, mehr aber als eben eine subjektive Anschauung beanspruche ich gewiß nicht zu bieten. Beide Arbeiten waren mir insbesondere ihrer Entstehung [handschriftlich:] nach psychologisch interessant, sie sind sichtlich die Erzeugnisse eines jungen Arztes, welcher den realen Thatsachen seines Berufs dadurch eine Art idealisirenden Gegengewichts zu geben versucht. |Daraus erklärt sich das eigenthümliche Gegenüberstehen der beiden Momente, welche sich in den Novellen gleich scharf vertreten finden, der romantischen Erfindung und der realistischen Wahl des Grundproblems, welches ja in beiden ein rein pathologisches ist. Es ist aber eben auch nur ein Nebeneinanderstehen und keine harmonische Mischung, was wohl darin seine Erklärung findet, daß beide Elemente in ihrer extremsten Ausprägung hier vertreten erscheinen. Einerseits wird die Romantik in beiden Novellen zur Hyperromantik [handschriftlich:] getrieben, andrerseits wird das pathologische Problem sehr hart und streng betont. Dies ist meines bescheidenen Ermessens jene Klippe, welche Sie künftig zu umschiffen haben werden, denn obwohl beide Novellen meines Erachtens nicht so druckreif sind, als daß ich einem ernsthaft strebenden Manne damit vor die Öffentlichkeit zu treten anrathen könnte, so wäre es doch zunächst für Sie und |wenn Sie die Arbeit ernsthaft anfassen, wohl nicht für Sie allein Schade, wenn Sie es dabei bewenden lassen wollten.
Mit besten Empfehlungen
Ihr ergebenster
 [handschriftlich Karl Emil Franzos:] Franzos
[handschriftlich Ottilie Franzos:] Herrn Dr. A. Schnitzler.
 
[handschriftlich Karl Emil Franzos:] Geehrter Herr Dr! Der vorstehende Brief ist leider durch ein Übersehen meiner Gattin bis heute unbestellt geblieben. Ich sende Ihnen denselben nun und unsere besten Abschiedsgrüße dazu. Vergessen Sie uns nicht, wenn Sie Ihr Weg wieder hierher führt und sagen Sie Ihrem Herrn Vater unsere besten Empfehlungen. Herzlich grüßend
Ihr  Fr.
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