Brief] Das vorliegende Korrespondenzstück ist undatiert, wird aber durch das erwähnte Schreiben Rollands, das mit 5. 2. 1915 datiert ist, zeitlich verortet. Nimmt man an, dass der Postweg in Kriegszeiten etwas länger dauert als gewöhnlich, so ist ein Erhalt des Schreibens durch Zweig und in Folge die vorliegende Benachrichtigung von Schnitzler für den Zeitraum zwischen 7. 2. 1915 und 10. 2. 1915 wahrscheinlich, da bei der Antwort am Folgetag Schnitzler bereits an Rolland geschrieben hatte (vgl. Arthur Schnitzler an Stefan Zweig, 11. 2. 1915).
Artikel] P. B. [= Paul Block]: Kultur–? In: Berliner Tageblatt, Jg. 44, Nr. 33, 21. 1. 1915, Abendausgabe, S. [3]. Ausgangspunkt für Paul Block war die ungezeichnete, kritische Meldung Schnitzler erhebt Einspruch in der Deutschen Tageszeitung (Jg. 22, Nr. 24, 19. 1. 1915, Abend-Ausgabe, S. 5). In ihr wird Schnitzler vorgeworfen, er habe sich mit seinem Protest Une protestation d’Arthur Schnitzler von Rolland instrumentalisieren lassen, um die »die innere Uneinigkeit der deutschen Geister« international sichtbar zu machen. Block wendet das Argument gegen den anonymen Verfasser der Meldung, indem er ihm vorhält, gerade die Uneinigkeit unter die deutschsprachigen Schriftsteller tragen zu wollen. Schnitzler erhielt auch durch seinen Verleger S. Fischer am 25. 1. 1915 Nachricht von Kultur–?: »Lieber Freund, / in der Abendausgabe des Berliner Tageblattes vom 21. d. M. habe ich die anliegende Notiz gefunden, die wohl inzwischen schon zu Ihrer Kenntnis gelangt ist. Ganz klar ist aus dieser Notiz nicht zu ersehen, ob Romain Rolland mit der Veröffentlichung Ihres Briefes nur seinerseits einleitende Bemerkungen verbunden hat oder ob er – was nicht anzunehmen ist – in Ihrem Briefe Aenderungen und Korrekturen vorgenommen hat. Für alle Fälle stelle ich mich Ihnen zur Verfügung, wenn Sie das Bedürfnis haben sollten, in dieser Sache etwas zu veröffentlichen oder zu berichtigen. Auch würde evtl. die ›Neue Rundschau‹ wenn Sie es für zweckmässig halten, von der Angelegenheit Notiz nehmen können. / Mit herzlichen Grüssen / Ihr / SFischer.« Am 27. 1. 1915 schrieb Schnitzler an Block: »Sehr geehrter Herr Block. / Darf ich Ihnen die Hand drücken für die liebenswürdige und vornehme Art, in der Sie sich meiner gegen einen (mir bisher nicht vor Augen gekommenen) Angriff in der D. T. Z. angenommen haben? Wenn ich auch glaube, daß Sie dem Herrn Anonymus mit Ihrer schönen Erwiderung eine unverdiente Ehre erwiesen haben; mich hat sie natürlich trotzdem sehr gefreut. Ich für meinen Teil habe mich begreiflicher Weise niemals entschließen können, auf all die antisemitischen Verdrehungen, Begeiferungen und Verleumdungen, die ich im Laufe einer mehr als zwanzigjährigen schriftstellerischen Tätigkeit erfahren habe, ein Wort zu entgegnen. Doch habe ich mir eine sehr hübsche (freilich, wie sich immer wieder zeigt, nicht vollständige) Sammlung von derlei Zeug angelegt, das vielleicht einmal als ein ganz bescheidenes Dokument von unserer Zeiten Schande neben bedeutenderen wird bestehen können. Auch hier hat es diesmal an Blättchen nicht gefehlt, die Inhalt und Absicht meines (mit gutem Grund in der neutralen Schweiz sowohl im französischen Journal de Genève, als in der deutschen Zürcher Zeitung veröffentlichten) Protestes gegen das mir in einer russischen Zeitung angedichtete Interview, tückisch-albern umzudeuten versuchten, ohne daß es mich in Erstaunen gesetzt hätte. Denn ich hatte keinen Moment lang erwartet, daß eine Sorte von Zeitungsschreibern, deren ganze Existenzberechtigung und Existenzmöglichkeit sich in ruhigeren Zeiten nur durch fleißig betriebene Rassen- und Konfessionshetze zu erweisen vermochte, einen Burgfrieden zu halten entschlossen wäre, in dem ihre traurige Eigenart sich naturgemäß gar nicht betätigen könnte. Aber man darf wohl sagen: wenn es heute in deutschen und österreichischen Landen irgendwo noch Verräter gibt, so sind es gewiß vor allen Andern Leute, die in diesen Tagen antisemitische Politik treiben und so in den Einen allmälig doch erlöschende Gefühle der Feindseligkeit oder Fremdheit, in den Andern bittere und erbitternde Zweifel an einer durch Arbeit, Blut und Heimatliebe dreifach besiegelten Dazugehörigkeit immer von Neuem in Schwingung zu bringen versuchen. Ich wollte, man verstünde das bei uns überall so gut, als es bei Ihnen, wie ich aus manchen an maßgebenden Stellen getanen Äußerungen entnehmen darf, zu geschehen scheint. Verzeihen Sie, wenn ich Sie nun doch, verehrtester Herr Block, bitte, diesen Brief als einen privaten zu betrachten. So sehr ich ihn, wie alles, was ich schreibe, nach Sinn und Wort durchaus zu vertreten imstande bin, – ich möchte jetzt nicht schuld sein, daß sich weitere Diskussionen an jene ganz untendenziöse Erklärung knüpften, zu deren Veröffentlichung in Schweizer Blättern ich nach der ganzen Sachlage mich gedrungen sah. / Nochmals herzlich dankend und grüßend / Ihr sehr ergebener« (Schnitzler: Briefe 1913–1931, S. 76–77). Es sei kurz darauf hingewiesen, dass die Deutsche Tageszeitung am 15. 10. 1915 in Form einer Rezension von Komödie der Worte einen weiteren anonymen Angriff auf Schnitzler publizierte.
Le … comique.] französisch: Und wie finden Sie, was unserem armen Arthur Schnitzler widerfahren ist? Da gerät er in Deutschland in die gleiche Lage wie ich in Frankreich! Drücken Sie ihm meine brüderliche Verbundenheit aus, falls ihn das nicht noch mehr kompromittiert. Ach, wie töricht die Menschen doch sind! Es ist schon fast komisch. (Zitiert nach Romain Rolland, Stefan Zweig: Von Welt zu Welt. Briefe einer Freundschaft 1914–1918. Mit einem Begleitwort von Peter Handke. Aus dem Französischen von Eva und Gerhard Schwewe (Briefe Rollands) und Christel Gersch (Briefe Zweigs). Berlin: Aufbau Verlag 2014.)
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Versand: | [zwischen 7. und
10. 2. 1915?] Zweig, Stefan Wien |
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Empfang: | [zwischen 7. und
10. 2. 1915?] Schnitzler, Arthur Wien |
Signatur | GB, Cambridge, University Library, Schnitzler, B 118 |
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Typ | Briefkarte |
Beschreibung | 1.038 Zeichen |
Handschrift | lila Tinte, lateinische Kurrentschrift |
Zufügungen | |
Schnitzler | mit rotem Buntstift zwei Unterstreichungen |
Stefan Zweig: Briefwechsel mit Hermann Bahr, Sigmund Freud, Rainer Maria Rilke und Arthur Schnitzler. Herausgegeben von Jeffrey B. Berlin, Hans-Ulrich Lindken, Donald A. Prater. Frankfurt am Main: S. Fischer 1987, S. 390–391. |
Eine zitierfähige Angabe dieser Seite lautet:
Stefan Zweig an Arthur Schnitzler, [zwischen 7. und 10. 2. 1915?]. In: Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren. Digitale Edition. Herausgegeben von Martin Anton Müller mit Gerd Hermann Susen, Laura Untner und Selma Jahnke, https://schnitzler-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L03651.html (Abfrage 8. 10. 2025)
Für gekürzte Zitate reicht die Angabe der Briefnummer aus, die eindeutig und persistent ist: »L03651«.
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{{Internetquelle |url=https://schnitzler-briefe.acdh.oeaw.ac.at/L03651.html |titel=Stefan Zweig an Arthur Schnitzler, [zwischen 7. und
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Müller mit Gerd-Hermann Susen, Laura Untner und Selma Jahnke |sprache=de |datum=1915-02-07 |abruf=2025-10-08 }}
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