Elsa Plessner an Arthur Schnitzler, 2. 1. 1899

den 2. I. 99.

Verehrter Herr Doctor!

Neugierig und zudringlich, wie ich einmal bin, bitte ich Sie heute wieder einmal um Ihre Meinung über eine Arbeit. Beiliegende Novelle habe ich vor 14 Tagen aus der »Wage« zurückgezogen da ich mir keine Striche gefallen lasse, von denen ich überzeugt bin, dass |sie meine Arbeit nicht nur schädigen, sondern direct umbringen. Spuren einer redactionellen Thätigkeit werden sie in dem Manuscript genügend vorfinden. – – – Ich bin doch nicht verpflichtet, für die Moral der Leser der »Wage« zu sorgen und ihre Sittlichkeit zu behüten. Die »inciminirten« Stellen der Arbeit habe ich mir im Interesse derselben abzwingen müssen, denn Sie können es mir glauben, auch ich schreibe so etwas nicht gerne nieder. Aber was ich als Mädchen über mich |gewinnen kann zu schreiben: das ist noch immer zahm genug, dass es die »Wage« die doch kein Familienblatt ist – ruhig abdrucken kann. – – –
Ansonsten bin ich sehr gespannt auf Ihr Urtheil über diese Arbeit. Es ist die erst, etwas größere, und ausgeführtere Novelle im Gegensatz zu meinen früheren Skizzen. –
– Nur eine Bitte habe ich: – Lesen Sie sie auf einen Zug und ungestört durch, wenn ich auch länger auf Ihren Ausspruch zappeln muss. –
In unveränderlicher Verehrung Prosit Neujahr!
 Elsa Plessner