|Dr Arthur Schnitzler 2. 10. 1926.
Lieber und verehrter Herr Doktor.
Ich danke Ihnen sehr für Ihr neues
Novellenbuch, das ich bei meiner Heimkehr vorgefunden habe. Mit stärkster
innerer und äusserer Anteilnahme habe ich es gelesen. Die erste
Novelle kannte ich schon, die Wirkung ist bei der
zweiten Lektüre die gleiche ausserordentliche geblieben. Am merkwürdigsten ist wohl
die
dritte. Die Steigerung
des epischen Stils an einzelnen in gewissem Sinn gefährlichen Stellen
↓ins
hymnische↓ erkannte ich nach anfänglichem leisen Widerstand als die
wahrscheinlich einzige künstlerische Möglichkeit das kühne Problem zu meistern.
Beinahe noch fesselnder, unmittelbarer ans Herz greifend hebt die zweite
Novelle an, aber mir ist, so
glänzend auch diese Erzählung geführt ist, als hätte der Stoff – von einem gewissen
Moment an, vielleicht schon von der Stelle, wo der Vater seine Tochter in dem fremden
Hotelzimmer verschwinden sieht, noch ergiebigere Entwicklungsmöglichkeiten geboten
als Sie ihm abgewonnen oder als Sie mit Absicht gewählt haben. Für mein Gefühl
erklingt der Abgesang dieses väterlichen Schicksals zu früh. Aber das kommt
vielleicht nur daher, weil von dem starken und originalen Anfang an die
Ideenassoziationen des Lesers (und gar eines Lesers, in dem die Phantasie angeborener
Weise und berufsmässig sozusagen auch Kunstwerken gegenüber, noch ehe er sie geduldig
aufgenommen vom Beginn bis zum Ende in sich aufgenommen
)↓,↓ frei und auf eigene Verantwortung zu schwingen anhebt) nach so vielen und
verschiedenartigen
|Richtungen gehen, und er nicht in die
Notwendigkeit versetzt ist eine Entscheidung zu treffen, wäre es auch nur, um
endgiltig seinem Stoff und seinen Gestalten zu entgehen. (Ich für meinen Teil war
schon manchmal in der Versuchung einer oder der anderen meiner Novellen Varianten
beizufügen. Ich glaube, dass so
↓lch↓ ein Versuch auch künstlerisch sehr diskutabel
wäre. Die inneren Notwendigkeiten eines Schicksals sind ja natürlich immer gegeben,
aber die äusseren Notwendigkeiten (zu denen für die Hauptgestalt ja auch wieder die
inneren Notwendigkeiten der Gegenspieler und sogar der Episodenfiguren gehören)
stehen von vornherein keineswegs fest. »
In unserer Brust sind unseres Schicksals
Sterne«. Zweifellos. Aber es sind nicht diese Sterne allein, die unser Schicksal
regieren.
(Das hat, wie Sie hoffentlich merken,nur eine Spitze gegen den lieben Gott
und nicht gegen den ausgezeichneten Dichter der »
Verwirrung der Gefühle«, den ich herzlich grüsse als sein aufrichtig
ergebener