Dr Th. Herzl
Verehrtester Freund,
Sie müssen mich schon für sehr ungezogen gehalten haben, und ich war nur beschäftigt.
Besten Dank für die Uebersendung Ihres
Buches. Ich wollte Ihnen erst schreiben, nachdem ich es
ausgelesen hätte.
Gestern hab ich es angefangen und bisher drei
Stücke
gelesen. Inzwischen ist mir der sybaritische Einfall gekommen, in den seltenen halben Stunden, wo ich zum Träumeln
Zeit habe, immer nur eins Ihrer
Stückchen zu
lesen. So wart ich also nicht, bis ich zu Ende bin, um Ihnen zu danken.
Die erste
Geschichte (
Frage an das |Schicksal) finde ich sehr
gelungen. Ich kannte sie schon – woher nur? Aus der
Brünner Monatsschrift (die man Leichtes
Tuch nennen könnte) oder anderswoher?
In der
zweiten, die mir zu
lang ausgesponnen scheint, erwartete ich eine andere weiberkundigere Pointe. Die Frau
erfährt, dass das »Mädl« nichts Anderes auf der Welt hat, als den Anatol –
darum nimmt sie ihr ihn weg. Heh?
Ich habe nicht Zeit genug, Ihnen alles Gute zu sagen, was ich über die dritte
Episode denke.
Wer ist
Loris? Auch Sie?
Jedenfalls sind diese paar
Verse zum Küssen. Schreiben Sie mir, wer
Loris ist. Ergreifen Sie überhaupt Ihre gute Feder von
Toledo und erzählen Sie mir, was
Wien en l'an de grâce
1892 ist. Recht ausführlich, denn Sie haben Zeit, Sie vielleicht
Glücklicher.
Ich grüsse Sie recht herzlich und ergeben Ihr
Herzl
10/X 92
Erzählen Sie mir was es in Kunst u.
Zeitung in
Wien gibt. Ich kenne Alles nur aus
den Journalen