Theodor Herzl an Arthur Schnitzler, 1. 1. 1895

Dr Th. Herzl 1. I. 95

Mein lieber Schnitzler!

Nun haben Sie mein ganzes Werk. Bald werden Sie die Hauptmühe überstanden haben.
Sie kennen meine Ungeduld in dem Augenblick wo ich etwas definitiv aus der Hand gegeben habe. Dann möchte ich, dass es eilig erledigt werde, im Guten oder Schlechten – es soll nur fort aus meinen Sorgen. So möchte ich mir nun auch das G. bald aus dem Kopf geschlagen haben.
Ich bitte Sie mir folgende Fragen zu beantworten:
Hat der Abschreiber bei Ihnen geschrieben?
Ist das Geheimniss gewahrt geblieben?
Wann ist er fertig geworden?
Hatte er eine schöne Schrift?
Meinen Nachtrag, die Berichtigung auf Seite 9 (III A.) haben Sie erhalten?
Einzuflicken »Monat Ab 5112«
Weiters bitte ich Sie das Mscpt von Anfang an durchzulesen und alle Paren|thesen-Spielbemerkungen mit Bleistift zu unterzeichnen. Das erleichtert das Lesen.
In der Beilage finden Sie die Einbegleitung. Sie besteht aus zwei Theilen. 1.) ein Vorwort welches auf das Respectblatt vor der Titelseite zu schreiben ist (u. zw. von der Hand des Abschreibers) oder, wenn kein Respectblatt frei gelassen wurde, in auffälliger Weise hinzukleben ist.
2.) ein kurzer Brief an den ersten Director. Dieser Brief hat gesondert recommandirt am Tage nach Absendung des Mscpts abzugehen. Zu adressiren ist dieser Brief an Blumenthal oder Brahm. Ich stelle es Ihnen ganz frei, möchte aber nicht, dass Sie sich darin irgendwie von Gefälligkeit leiten lassen. Mir ist es absolut gleichgiltig. ich würde es Ihnen freimüthig sagen, wenn ich ein Interesse daran hätte, zuerst |zu Brahm zu gehen. Umsomehr als es vermuthlich ohnehin eine Rundreise werden wird. Also thun Sie, was Sie wollen, nur müssen Sie danach den Text des Vorwortes einrichten, nämlich die Reihenfolge der Bühnen. Den Brief 2.) möchte ich nicht von der Hand des Abschreibers, sondern von einer anderen haben, u. zw. Schicks. Bitte also mein Concept zuerst vom Abschreiber machen zu lassen u. dann Schick zu bitten, dass er die paar Zeilen schreibe.
Verständigen Sie mich, lieber Freund, vom Tag des glücklichen Abgangs. Denn von da ab werde ich die Stunden zählen. Ich rechne, dass das Mscpt Freitag den 4 oder Samstag den 5 ds Mts. von Wien abgehen kann.
Tausend Dank und herzliche Grüsse
Ihr
 Th H
Wenn Sie mich nicht ärgern wollen, bitte ich um sofortige Einsendung des Kostenverzeichnisses.
|I
Vorbemerkung für den Director.
Der Verfasser täuscht sich nicht über die Schwierigkeiten, mit welchen dieses Stück zu kämpfen haben wird. Es nimmt zu einer heissen Zeitfrage das Wort. Das kann die Aufführung freilich ebensowohl erleichtern als erschweren.
Der Verfasser weiss auch, dass sein in der Literatur bisher unbekannter Name keine Empfehlung ist. Es gehört Vorurtheilslosigkeit dazu, ein solches Werk aufmerksam zu lesen. Der Verfasser verlangt aber noch mehr, und muss es verlangen. Er fordert eine Entscheidung über die Annahme binnen kurzer Zeit.
Dieses Stück darf nicht durch theatermässige Verschleppungen um eine nutzbare Zeit gebracht werden. Ist die Aufführung nicht bald zu erreichen, so wird das Werk einfach als Buch erscheinen, genau in seiner vorliegenden Form, vom ersten Worte dieser Vorbemerkung angefangen bis zum letzten »der Vorhang fällt.« Dann wird das Publicum ohnehin erfahren, was der Verfasser sagen will. Und darauf kommt es wesentlich an.
Die Directoren dreier Bühnen erhalten das Stück nacheinander. Jeder kann es drei Wochen behalten. Nach Ablauf dieser unwiderruflichen Fallfrist wolle es der Ablehnende gütigst dem Nächsten zuschicken. Die Reihenfolge ist 1. Lessing-Theater 2. Deutsches Theater, 3. Berliner Theater. Die Gefälligkeit dieser Weitergabe glaubt der Verfasser dafür erbitten zu dürfen, dass er seine Arbeit den Herren unterbreitet. Es soll dadurch unnützer Zeitverlust erspart werden.
Nimmt auch der Dritte nicht an, so wolle dieser das Manuscript dem Obmann der »Freien Bühne« zuschicken, welch Letzterer es im Falle der Ablehnung an den weiterhin bezeichneten Freund |des Verfassers freundlichst zurücksenden möge.
Selbstverständlich unterbleibt, die Weiterreise, wenn einer der Directoren das Stück  annimmt. Die Aufführung hat innerhalb eines Monats nach der förmlichen Annahme zu erfolgen. Auch diese Fallfrist ist genügend. Der Director, der es mit dem Stücke ernst meint, hat ausreichende Zeit, es einstudiren zu lassen und dafür den Spielplan freizumachen.
Die im Vorstehenden erbetene Weiterbeförderung ist vielleicht etwas Ungewöhnliches. Der Verfasser glaubt jedoch nicht, dass man solche Ablehnungen verschweigen müsse. Im Gegentheil, man soll sie bekanntgeben.
Die Bühnenleiter, welche dieses Werk später in die Hand bekommen, mögen ohne Vorurtheil daran gehen. Es ist nicht einmal vorgekommen, dass Directoren sich über den Bühnenwerth eines Stückes irrten.
Am Text des Manuscripts darf nichts geändert werden, auch die Bezeichnung als Schauspiel ist unveränderlich.
Für den Vertragsschluss und alle Abmachungen, die nöthig werden könnten, stellt der Verfasser – weil er häufig auf Reisen geht – einen Bevollmächtigten auf in der Person des Herrn Friedrich Schick, Wien III Reisnerstrasse 25
– . –
Wien am 4 Januar 1894 
    Bildrechte © University Library, Cambridge