|Paris 3. IV. 95

Lieber Freund!

Folgendes ist meiner Weisheit letzter Schluss: ich will noch einmal zu Blumenthal gehen und wenn der nicht drauf eingeht mein Stück bei S. Fischer dem Jungen-Verleger in Berlin herausgeben, eventuell die Druckkosten selbst bezahlen.
Ich bitte Sie also die nächstehenden drei Briefe zu schreiben:
I Herrn Müller Guttenbrunn (recommandirt)
Geehrter Herr! Herr A. Schnabel dankt Ihnen für die rasche Erledigung. Er begreift die Opportunitätsgründe Ihrer Ablehnung. Endlich bittet er mich, Ihnen in seinem Namen mitzutheilen, dass er Sie Ihres Ehrenwortes über seine Verfasserschaft absolutes Stillschweigen zu beobachten selbst dann nicht entbindet, wenn er gezwungen sein sollte, sich einem anderen Director zu nennen. Ich bitte Sie mir mitzutheilen, ob Sie nichts dagegen haben, dass Ihr Ablehnungsbrief ganz oder theilweise in |die Vorrede der Buchausgabe dieses Stückes aufgenommen werde.
Hochacht  Dr A Schnitzler
Sollte Ihnen dieser Wortlaut zu schroff sein, so bitte ich den Brief der genau diesen Inhalt haben muss, in der ersten Person des A. Schnabel von Schick schreiben zu lassen.
Geehrter Herr! Sie haben mein Stück D. G... kurzweg abgelehnt ohne es zu lesen. Ich nehme Ihnen das nicht weiter übel. Unbekannte Autoren müssen sich von Theaterdirectoren Einiges gefallen lassen. Aber es scheint, dass Sie Unrecht hatten, das Buch nicht einmal zu öffnen. Herr Müller Guttenbrunn hat das Stück gelesen und will es nur aus Rücksicht auf die Juden nicht spielen. Sie sind Jude, wie der Verfasser selbst, und können die Unternehmung wagen. Es gibt keinen vernünftigen jüdischen Rabbiner, der anders spräche, als dieses Stück spricht. Es ist eine |ehrliche Judenpredigt. Die Juden werden an den heimlichen Judenzeichen erkennen, dass ein wohlwollender Bruder zu ihnen aus dem Stücke heraus redet.
Müller Guttenbrunn schreibt: Ich habe das Schauspiel »D. Ghetto« von zwei gebildeten Männern lesen lassen, von einem Juden u. einem Christen, u. Beide verwarfen das Stück, beide aus Opportunitätsgründen, aber sie ... (etc aus dem Brief bis inclusive »verzichte« abzuschreiben)
Dieser Brief u. das Manuscript erliegen beim Verleger S. Fischer in Berlin. Wenn Sie es nun lesen wollen, so bitte ich das Manuscript von Herrn Fischer abholen zu lassen. Er wird es ihnen auf acht Tage leihen.
Lassen Sie es nicht holen oder entscheiden Sie sich nicht innerhalb einer Woche, so erscheint das Stück im Druck.
Hochachtungsvoll
Albert Schnabel
(Brief II soll Schick oder sonst wer abschreiben)
III Herrn S. Fischer Berlin
Geehrter Herr. Ich sende Ihnen heute das Manuscript eines 4 actigen |Schauspiels D. G. von A. Schnabel. Lesen Sie es sofort. Der Brief des Directors Müller, den ich Ihnen hier beilege u. sorgsam aufzubewahren bitte, sagt Ihnen welcher Art das Wagniss ist. Schreiben Sie mir gefälligst, ob u. unter welchen Bedingungen Sie geneigt sind, das Stück zu verlegen.
Sollte Director Blumenthal das Manuscript von Ihnen verlangen, so bitte ich es ihm auf acht Tage zu leihen. Nicht für länger.
Ich bitte Sie, meine Intervention Jedermann, besonders Blumenthal gegenüber streng geheim zu halten. Dr. Schnabel bat mich nur, ihn bei Ihnen einzuführen, im Uebrigen wünscht er nicht, unter irgend Jemandes Patronanz zu stehen.
Bestätigen Sie nur freundlichst, dass Sie diese Bedingung genau einhalten werden.
Hochachtungsvoll
Dr. A. Schnitzler.
Diese 3 Briefe enthalten alle Vorschriften für Sie, mein gefälliger lieber Freund. Ich habe der Kürze |halber den Briefen gleich die definitive Form gegeben.
Wenn Fischer antwortet, dass er es nicht auf seine Kosten drucken lassen will, so bewilligen Sie ihm die Druckkosten, die ich Ihnen sofort einschicken werde, sobald ich den Betrag kenne. Bedingung: sofortiges Erscheinen.
Ihre Antwort erbitte ich wieder wie früher poste restante mit gleichzeitiger Verständigung an Albert geschrieben.
Tausend Dank im voraus. Ich hoffe, dass Ihre Mühe jetzt zu Ende ist.
Mit herzlichen Grüssen Ihr aufrichtig ergebener Th Herzl
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