Ich habe gar nicht daran gezweifelt, dass Sie mit mir gehen werden. Ich danke Ihnen
herzlich für Ihre Bereitwilligkeit. Es bleibt also bei dem neulich Entwickelten. Sie
sind und bleiben bis auf meinen Widerruf der Einzige, der Albert Schnabels Geheimniss
kennt. Auch von meiner
Familie weiss gar Niemand davon. Frauen können nicht
schweigen, u. ein Geheimniss darf höchstens auf vier Augen stehen.
Ich gebe Ihnen keinerlei Detailwünsche zur Wahrung des Geheimnisses bekannt: dass
Sie
fortab alle meine Briefe unter Verschluss halten etc. Niemand erfährt wer Albert
Schnabel ist, auch der
Notar
nicht, dem ich auf Ihre Worte hin übrigens mein ganzes Vertrauen zuwende. Natürlich
nehmen Sie ihm das schriftliche Ehrenwort ab, dass er auch Sie Niemandem nennt, denn
dann käme man allmälig auf die Spur. Dieses Rallye-Paper auf einen
anonymen Autor habe ich mit den
Wilddieben
durchgemacht – theils belustigt, theils geärgert. Belustigt, als mich meine Freunde
angriffen oder meine Feinde lobten – die
Wiener allg.
Ztg. bei der ich damals war brachte die schärfsten Angriffe etc. – Dem
Notar werden Sie bei Vertragsschlüssen Winke aus Ihrer
Bühnenerfahrung geben –
|Sie haben ja
auch schon welche, mein lieber Freund – und werden in vorsichtigem Verkehr mit ihm
bleiben. Er muss auch schlau schweigen.
Zunächst will ich also Ihre Meinung über Albert Schnabels 4 actiges Schauspiel »
Das Ghetto« hören. In diesem besonderen Falle
haben Sie mir mit aller Brutalität die Wahrheit zu sagen. Finden Sie es schlecht –
heraus damit! Ich vertrage einen Puff. Dieses Pseudonymat ist ja für mich der
Kugelpanzer. Schon lebe ich in der Schnabelschen Fiction, u. weder Lob noch Tadel
wird mich daraus vertreiben. Mein Gedanke ist 4 – 5 Stücke in 4 – 5 Jahren auf diese
Weise zu publiciren – u. mich während der Zeit als Journalist verachten oder von
Reclamehubern im Arsch lecken zu lassen.
Zum
Stück habe ich nur zu
bemerken, dass ich Ihnen den premier jet
geschickt. So ist es ganz fertig. Es fehlt nur eine Scene, die ich aus Fachwerken
construiren muss. Der Inhalt ist bestimmt und für Sie kurz hineingedeutet. Flüchtig
gemacht ist nur eine Stelle im 2 Art: der Samuelische Grundsatz, den ich natürlich
auch in eine definitive u. kürzere als die jetzige Form bringen werde.
Sonst hängen nur ganz kleine Fetzen, die abzuschleifen ich bei der
Reinschrift Gelegenheit nehme. Diese
Reinschrift habe ich noch nicht
gemacht, weil ich auch auf Ihre Bedenken Rücksicht nehmen will. Das mache
|ich dann alles zusammen. Ich bitte Sie
also mir das
Manuscript gleich
nachdem Sie damit fertig sind, begleitet von einem ausführlichen u. männlich
rücksichtslosen Gutachten zurückzuschicken. Adresse:
Monsieur Théodore Herzl
Paris, poste restante au Bureau 37
–
Und zwar als recommandirten Brief, wie es meine Sendung war.
Wichtigere u. recommandirte Sendungen werde ich immer unter dieser Adresse von Ihnen
erwarten. Sie sehen, Sie werden mit mir Mühe haben. Eine solche Sendung müssen Sie
mir immer in einem gewöhnlichen Brief anzeigen in Worten, die nur ich verstehe:
»Heute habe ich an Albert geschrieben«, wird für mich die Formel sein dass im Bureau
37 ein Brief erliegt.
Diese Uebervorsicht ist nöthig, denn bei den
Wilddieben ist das Geheimniss durch meine
Familie ausgeplaudert
worden. Schrieben Sie nur recommandirt an meine
Domicil-Adresse, so hätte ich bei meiner
Frau unzählige Verhöre zu bestehen. Das
würde mich auf die Dauer sehr nervös machen.
Mittheilungen, die leicht unter Anspielungen versteckt werden können, schreiben Sie
|mir nur in gewöhnlichen Briefen. Die
müssen so gefasst sein, dass Sie auch verloren gehen können. Ich werde mich nicht
dabei aufhalten, einem Schreibkünstler Anleitungen für unseren Geheimschlüssel zu
geben.
Was Ihre Besorgnisse wegen der Theaterdirectoren betrifft,
↓die↓ theile ich
die nicht. Ja, wenn ich zu
den Patronen betteln ginge, würden Sie mich nicht anhören. Ich werde Sie aber von
vornherein an die Wand drücken. Das darf ich als Mitglied einer einflussreichen
Zeitung nicht thun – es sähe wie
Erpressung aus – aber Albert Schnabel, der Unbekannte, kann das in aller Reinheit
und
Schroffheit thun. Auch dazu ist mein Pseudonym gut. Ich werde zwei Tage nach
Absendung des
Manuscripts
folgenden Brief an den ersten
Director (zur Weitergabe schicken). »An die Directoren der unten benannten Bühnen.
Der Verfasser reicht sein
Werk
dem ersten, dann dem zweiten etc. ein. Verschiedene Gründe können den einen oder
anderen Director verhindern, es aufzunehmen. Dann soll er es weitergeben. Der später
drankommt, möge sich erinnern, dass viele Werke, die später Erfolg hatten, zuerst
zurückgewiesen wurden, und es ohne Vorurtheil lesen. Nimmt es keiner an, so wird es
veröffentlicht, mit diesem Brief
|und mit
den Namen der Directoren, die es ablehnten. In einer unbegreiflichen Gutmüthigkeit
oder Schamhaftigkeit verschwiegen bisher die Bühnendichter ihre Ablehnungen. Der
Verfasser möchte darin etwas Neues einführen: die Verantwortlichkeit der
Theaterleiter. Wer ein Stück abdehnt, soll dafür einstehen. Der Gerechte und von
literarischen Rücksichten Geleitete hat das nicht zu fürchten. Aber auch die
Irrthümer der Bühnenleiter sollen bekannt werden: Das verspricht schätzbares
Material. Das Publicum wird erfahren, was abgelehnt worden, nachdem es schon wusste,
was gespielt wird.
Der Verfasser«
Und so werd' ich das durchführen, bis ans Ende, mein lieber Freund. Zum Schluss wird
das
Stück gedruckt – aber ich
glaube, es wird sich eine Bühne dafür finden. Ich weiss nicht, ob es ein gutes Stück
ist - aber ich fühle, dass es ein nothwendiges ist. Was sagen Sie?
Herzlich Ihr ergebener
Th. H.