|1. 12. 1924.
Liebe und verehrte Frau Hofrätin.
Ich sende Ihnen heute den Beginn einer
französischen Uebersetzung von »
Fräulein Else« ein. Es wäre mir höchst interessant zu
wissen, wie Sie sie finden, ob Sie sich für so
gelungen halten, dass man sie eventuell
Géraldy zur Begutachtung übergeben und eventuell daran denken könnte dem
Uebersetzer eine Autorisation
zur für die ganze
Novelle
zu erteilen. So könnte man dann das
Werk
gleich einem
französischen Verleger über
lageben. Aber es ist wohl wahrscheinlich, dass
jeder Verleger sich selbst seinen Uebersetzer zu engagieren wünscht. Jedenfalls
bin ich auf Ihre Antwort sehr gespannt.
Eben
heute habe ich von Mme.
Bianquis neuerlich ein Schreiben erhalt
en. Sie
teilt mir mit, dass die
Revue de Paris nicht
den »
Einsamen Weg«, sondern vorläufig das »
Bachusfest« drucken will (was ja allerdings betrachtlich bequemer ist). Man offeriert mir
20 Francs per Seite, die ich mit ihr zu teillen hätte.
Da
Maurice Rémon die »
Stunde des Erkennens« schon übersetzt hat und
Mem Mme.
Bianquis ausser dem »
Bachusfest« die »
Grosse Szene« schon fertig hat, liegt eigentlich der
ganze Zyklus »
Komödie der Worte« in
französischer Uebersetzung vor.
Es wundert mich, dass
Gèraldy neuerdings eine Frage wegen des
Einakters für
Fabre stellt. Ich schrieb ihm schon
im Sommer wegen des »
Grünen Kakadu«, Sie, liebe Frau
Hofrätin, waren ja mit mir der Ansicht, dass
abgesehen von der »
Grossen Szene« der »
Kakadu«
|
wohl als der repräsentativste meiner
Einakter
für
Paris in Betracht käme. Wie nun die Dinge
stehen, wäre ja immerhin auch das »
Bachusfest«
zu erwägen, obzwar es mir wenig sympathisch wäre gerade mit diesem, nicht eben bedeutenden
Stück am
Theatre français zu
scheinen erscheinen
.
Auch von meinen andern
Einaktern schiene mir
keiner recht geeignet mich im
Theatre francais
einzuführen, eventuell könnte man an die »
Frau mit dem Dolch« denken.
Von
Grasset habe ich nach wie vor nichts
weiter gehört. Er hat mir auch noch nichts über
die
Auswahl der Novellen geschrieben, die er
herauszugeben gedenkt und über die wir uns wohl
doch erst einigen müssten.
Vielleicht ist manches von diesem Briefe bereits überholt, wenn er eintrifft. Ich
danke
Ihnen heute noch ganz besonders dafür, dass Sie
Mademoiselle
Bianquis empfangen und mit ihr
über meine Angelegenheiten konferiert haben;
ebenso wie für Ihren liebenswürdigen Brief, und
alle Ihre freundlichen Bemühungen.
Ich freue mich schon sehr
Lenormands
neues
Stück und ihn selbst kennen zu lernen,
ganz besonders aber darauf, Sie selbst, liebe
und verehrte Freundin, recht bald und hoffentlich bei gutem Befinden und in leidlicher
Stimmung wiederzusehen.
Herzlichst
Ihr
Frau Hofrätin Bertha Zuckerkandl,
Paris.
1 Beilage.