|8. 10. 1925.
Liebe und verehrte Frau Hofrätin.
Ehe ich für 8–14 Tage nach
Berlin abreise, möchte ich ein paar Worte über
meine
französischen Angelegenheiten schrei-
ben und mich zugleich bei Ihnen nach dem
Stand der Dinge erkundigen. Hat sich in
der Sache
Gemier etwas gerührt? Ist das »
Weite Land« engültig erledigt? Hat
Lenormand
zu der
französischen Uebersetzung der »
Liebelei«, die ich ihm übersandt habe, sich irgend-
wie geäussert? Bestehen Chancen hinsichtlich
der »
Liebelei«?
Indess habe ich von Herrn
Rémon, der Ihnen ja schon bekannt ist, eine
Anfrage sowohl hinsichtlich der »
Literatur«,
die schon längst übersetzt ist und hinsichtlich des »
Kakadu« erhalten (der seinerzeit
bei
Antoine aufgeführt wurde). Ich habe daran
gedacht, ob man nicht eventuell »
Kakadu« zusammen mit »
Liebelei« oder »
Literatur« mit
»
Liebelei« zur Aufführung bringen könnte.
Sollte es Ihre Zeit erlauben, möchten Sie sich
vielleicht mit Herrn
Rémon,
Paris XVII, 10, rue
Daubigny, in Verbindung setzen?
Auch wegen »
Fräulein Else«
habe ich einige Anfragen bekommen, ohne dass
nach irgend einer Seite sehr bestimmte Aussichten bestünden. Auch die Herausgabe von
»
Casanovas Heimfahrt«,für die M.
Nathan sogar
schon Vorschuss gezahlt hat, zieht sich aus
nicht ganz durchsichtigen Gründen länger hin,
als ich vermuten konnte.
Die neue
Uebersetzung von
»
Sterben« soll in
Frankreich Erfolg gehabt
|haben; ich selbst habe nichts darüber zu lesen
bekommen.
Ich habe einen ganz schönen und ziemlich reichhaltigen Sommer verlebt, war in den
Dolomiten, im
Engadin, in
Forte dei Marmi (am
tyrännischen Meer), in
Florenz und
Venedig,
Olga mit
Lili sind noch dort.
Alma habe ich
vortrefflich aussehend und eigentlich in guter
Stimmung gefunden.
Zwischen
20. und
25. Oktober hoffe ich
wieder in
Wien zu sein. Nach
Berlin fahre ich
hauptsächlich wegen
Heini (der nächstens den
Theodor in der »
Liebelei« spielt); auch soll
die »
Komödie der Verführung« bei
Barnowsky
aufgeführt werden, aber wie die Situation sich
bisher gestaltet, insbesondere hinsichtlich
Besetzung etc., werde ich zum mindesten einen
Aufschub verlangen.
Wann kommen Sie wieder nach
Wien zu
rück, liebste Frau Hofrätin? Ich hoffe, Sie befinden sich wohl und werde sehr froh sein,
wenn ich bald etwas von Ihnen höre. In
Berlin
werde ich voraussichtlich im Hotel
Esplanade
wohnen. Darf ich bitten mich Ihrer verehrten
Frau
Schwester, sowie auch
Lenormand,
Paul Geraldy und
Frau und wer sich sonst meine
freundlich in
Paris erinnert, bestens zu empfehlen.
Mit den herzlicnsten Grüssen
Ihr
Frau Hofrätin Berta Zuckerkandl,
Paris.