Berta Zuckerkandl an Arthur Schnitzler, [25. 11. 1911?]

|Verehrter Herr Doktor! Bitte lachen Sie mich nicht aus wenn ich Etwas sagen werde – was Ihnen vielleicht als Unsinn erscheinen wird. Sie sind zwar ein Genie – aber leider auch ein Mann, was wieder ein wenig einschränkend wirkt. Ihre Frau |wird mich gewiss verstehen, denn sie hat die klarsten klügsten schönen Frauen-Augen – die ich gesehn.
Also — Monsieur Paul Poiret ist in Wien. Der phantastische Künstler & Mode-Schöpfer der Paris revolutionirt hat. Er ist mit allen |Theater-Direktoren und allen regierenden Künstlerinnen viel intimer als die gefürchtetsten Kritiker. Es ist ein Fanatiker aller Intellektualitäten. Er wird wenn wir wollen viel Stimmung machen können. Für Ihr Werk im Allgemeinen – für das »Weite Land« im Besonderen. Nun speist er mit |Madame Poiret Dienstag ein Uhr Mittag bei mir. Kleinster Kreis, da ich zum ersten Mal wieder ein paar Menschen bei mir sehe. Möchten Sie nicht mit Ihrer verehrten Frau kommen? Das Sie schlecht oder wenig – französisch sprechen macht gar nichts – da beinahe alle Anwesenden in derselben Lage sein werden, & ich den Kontakt herstelle. Aber ich halte es für sehr gut – wenn eine persönliche Bekanntschaft zu machen wäre. Bitte |herzlichst telephonische oder pneu Antwort.
Ihre
B. Zuckerkandl
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