Verzeihen Sie, dass ich Ihnen heute erst schreibe; aber erst gestern hat sich
entschieden, wo ich wohne, – und ich bin immer so müde!
Aber ich will der Reihe nach erzählen.
Die Fahrt war furchtbar ermüdend: zum Mittage
ssen in
Franzensfeste 20 Minuten Aufenthalt, in
Villach 15 – das war alles. Zum Glück hatte ich verhältnismä
ssig angenehme
Gesellschaft, darunter Dr.
Rullmann, den Redakteur des
Grazer Tagblatts. Er lebt jetzt
auch hier, wohnt aber unten in der
Stadt.
Dr.
Schreiber sa
mmt
Gemahlin haben mich äu
sserst freundlich und
liebenswürdig empfangen; letztere lä
sst bestens danken. Sehr unangenehm aber waren
die Eröffnungen, die mir ihr Herr
Gemahl machte. Nachdem er konstatiert hatte, da
ss ich im höchsten Grad
anämisch sei, erklärte er mir rund heraus, von einer Heilung bi
nnen 4 Wochen – ich getraute mich gar nicht mehr, von
16 Tagen zu sprechen – kö
nne überhaupt nicht die Rede
sein;
vor 15. Mai |d. h. vor 3 Monaten kö
nne
er mich nicht entla
ssen. Dabei sagte er nicht etwa: We
nn
Sie früher fortgehen, werden Sie später die Folgen zu spüren haben – o nein! sondern
ganz einfach: »Sie werden vor 3 Monaten nicht arbeitsfähig sein!« Das ist doch ein
Argument, das zieht.
Sehen Sie, lieber Dr., ich hatte Recht, als ich meinte, es sei fertig mit mir. Die
Aussichten auf die
deutsche Zeitung sind doch entschieden vorbei, und auch die
Kunstchronik wird bei einer so langen Abwesenheit
verloren sein. Also stehe ich, we
nn ich nach
Wien ko
mme, wieder ohne
jede Einnahme da, der Mildthätigkeit überla
ssen. – Auf der andern Seite sehe ich
absolut nicht ein, wie so lange den Aufenthalt in
Meran bestreiten. Die Pension im Hotel ohne Wein, Licht und Heizung beträgt
3 fl (ich habe, als Journalist, von den üblichen 4 fl einen abgehandelt. Alle Leute,
auch Dr.
Schreiber, haben mir zum Hotel
geraten, weil ich hier Gesellschaft und mehr Anregung finde als im Privatquartier;
auch sei’s nicht teuerer); da ich absolut nicht gehen ka
nn und
darf, mu
ss ich mir jeden Tag einen Rollwagen
nehmen, der fl 1.–1.20 kostet; nehmen Sie dazu Wein, Licht, Heizung, Cigarren etc
–
so kö
nnen Sie sich ungefähr einen Begriff von den
Ausgaben machen. Dagegen werde ich noch einnehmen:
|1) die Summe, die
Sie so gütig waren, mir zu versprechen
2) das Ergebnis zweier Sa
mmlungen, die
Steinbach bei der
Neuen Freien Presse und
Gelber beim
Neuen Tagblatt veranstalten
werden (we
nn sie es thun!)
3) eine Unterstützung von je 50 fl, die ich vielleicht! von der
Concordia und von der
Schillerstiftung erhalte. – Das ist zwar viel, aber es reicht doch
nicht. – –
Jetzt leben Sie wol – meine Hand ist müde, und Sie wi
ssen alles Wichtige – und seien
Sie nebst
Beer-Hofmann,
Loris und den andern herzlich gegrü
sst
von
Ihrem
Fels
Für wie schwach mich
Schreiber erklärt,
kö
nnen Sie aus meiner Kurvorschrift ersehen:
1) ¼ Ltr Milch mit 1 Kaffeelöffel Cognac 4mal tägl.
2) Waschung 27°, Halbbad 26° mit sanften
Frottierungen und Übergiessungen. »Man kann ja mit
Ihnen nichts anfangen.«