Directeur M. L. Sonnemann. Paris, 27. Juni.
September.
Journal politique, financier,
commercial et litteraire.
Paraissant trois fois par jour
Mein lieber Arthur!
Ich danke Dir für Deinen lieben Brief und für die Sendung Deiner
Bücher. Und noch be
sonders danke ich Dir für die paar frohen
Stunden in
Salzburg. Mir hat das eine Zeit lang die Empfindung der Heimatlo
sigkeit genommen. Damit
ha
st Du eine gute That für einen
ar armen Verla
ssenen gethan, und die
ses Bewußt
sein
soll Dich Deinen Katarrh
leichter tragen la
ssen, dem ich übrigens von Herzen ein baldiges Ende wün
sche.
In
Muenchen gab es noch ein paar
schöne Augenblicke. Es i
st eine liebe
Stadt, in
|manchen Beziehungen ein
Wien, in manchen
sogar ein be
sseres
Wien. Die Hauptzeit habe ich in der
Pinakothek verbracht und mir die Augen mit Schönheit vollge
sogen – Proviant für eine
lange, öde Rei
se.
Mit Von meinem
Onkel bin ich kühler
ge
schieden als je. Auch von die
sem
Manne scheint mich das Leben trennen zu wollen. Wir
sind plötzlich gereizt
gegen einander,
so mü
ssen wir das zu verbergen trachten. Im
Grunde, glaube ich, grollt wohl Einer dem Andern, daß er ihm nicht helfen kann.
Gleiche Unproductivität, gleiche negative Schärfe, gleiche Willenlo
sigkeit und
Un
stätheit auf beiden Seiten. Die
se Erkenntniß hat mir das Herz erfrieren gemacht,
und
so bin ich aus
Muenchen herausgefahren. Tro
stlo
se, endlo
se Rückrei
se.
|Und nun bin ich hier, und Bergesla
sten liegen mir wieder auf der Bru
st. Ich habe
gerade heut Morgen wieder eine Stunde gehabt, wo ich meinte, ich mü
sse ruhig die
Hände in den Schoß legen und auf dem Se
ssel
sitzen bleiben, weil ich nicht mehr
weiter kann. Die alte Thätigkeit widert mich an, die Leute und die Verhältni
sse hier
sind mir verhaßt, von allen Seiten
stellen
sich wieder die Unmöglichkeiten in den
Weg. Vor Allem
ha aber habe ich
das die klare Erkenntniß, daß
ich im Begriff bin, mein Leben zu verfehlen. Ich
sehe alle Fehler, ich
sehe die
deutliche
W Wendung meines We
sens in der fal
schen Richtung, ich
|habe aber nicht die Kraft, zurückzureißen. Ich frage
mich: Was ich eigentlich auf der Welt
soll? und ich weiß es nicht. Mir
sällt ein, daß
ich bald dreißig bin und daß ich nichts, nichts, nichts noch ge
schaffen habe; und ich
weiß ganz genau, daß das Werk auch in Zukunft nicht kommen wird. Und
son
st noch
tau
senderlei. Oh pfui! . . . . .
Nun wollen wir
sehen, was
sich in
Paris für Dich thun läßt. In
Muenchen war vorläufig nichts zu machen; aber ich habe eine Ver
sprechung. Nochmals: Vergiß’ nicht, mich
sofort zu benachrichtigen, wenn dein
Stück zur Aufführung ange
setzt i
st. Sei von Herzen begrüßt, Du und die lieben Freunde!
Wichtig: Denk’ an die Empfehlung, bitte. Ich bin so einsam hier!
|Mandel kenne ich
nicht eben
so wenig wie den
deutschen Quartettverein. Er
verwechselt mich wahr
scheinlich mit meinem
Vorgänger.