|28. 9. 93

Verehrter Freund!

mit ½ 11 war ich gestern Abend im Meissl u Schadn; man hatte mir, resp. meiner Mama nicht telephonirt, wer mich hinbestellt hatte; und  so glaubte ich, da ich bekanntlich ein beschäftigter praktischer Arzt bin, dass es  sich um einen Patienten handle. Es wurde nun in allen Stöcken durch Portier, |Zimmerkellner u. Stubenmädchen herumgefragt, wer den krank  sei; – es meldete  sich  schließlich die Nummer 19, die aber von mir nichts wis sen wollte. Ich ging  schwer gekränktens davon, dachte an das Bubenstück irgend eines Neiders. Kam ins Griensteidl. Wie ich,  so gegen vier, im Weggehen bin, erzählt mir der Heinrich, Sie wären da gewesen, u es |hätte Ihre Post durch einen Burschen an den Burgring telephoniren las sen. Auf diesem Wege ist nun nichts geringeres als Ihr Name in Verlust gerathen. –
Dieser einfachen Geschichte hab ich nur mehr hinzuzusetzen, dass ich untröstlich bin, aber dennoch hoffe, Sie vor Ihrer Abreise noch zu  sehn? – So gegen |eilf bin ich wohl alle Abende im Griensteidl was ich Ihnen für den Fall eines Theaterbesuchs mittheile, Samstag geh’ ich zur Sündfluth.
– Also auf Wiedersehen! Empfehlen Sie mich zutiefst Ihrer w. Frau Gemahlin und allen übrigen Mitgliedern Ihrer liebenswürdigen Familie.
Herzlichen Gruss
Ihr getreuer ArthurSchnitzler
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