Arthur Schnitzler an Stefan Zweig, 2. 12. 1914

|Dr. Arthur Schnitzler 2. 12. 1914.

Lieber Herr Doktor.

Hier beigeschlossen ein Exemplar der Erklärung mit den besprochenen Aenderungen. Einen andern, einen wahrhaft bekennerischen Ton, vermöchte ich kaum zu finden. Je mehr man über die Sache nachdenkt, umso dümmer kommt sie einem vor. Ich wollte Sie noch fragen: Was, denken Sie, soll nun Rolland mit unseren Erklärungen tun? Sie ins Französische übersetzen und eventuell nicht nur an das Journal de Genève, sondern sie auch an französische Journale weitergeben? Könnte er es auch übernehmen den Erklärungen in ein deutsches schweizer Journal Aufnahme zu verschaffen? Mir fällt eben ein, dass wir neulich über Regierungsrat Winternitz nicht gesprochen haben. Bitte um eine Zeile, wann ich Sie anrufen dürfte. Den Appell an die Blätter, mit dem meine vorige Erklärung schloss, |(bitte die beiden Exemplare zu vernichten) habe ich diesmal weggelassen. Ich glaube, man bedarf ihrer nicht.
Ich hatte heute den sonderbaren Traum, dass ich mit Ihnen in einem offenen Fiaker auf erhöhter Strasse durch eine irgendwie orientalische Stadt fuhr; Sie transportierten mich nämlich nach Sibirien, was ein wenig dadurch gemildert war, dass der Weg zuerst durchs Helenenthal führen sollte. Ich war nur auf sechs Monate verbannt, hatte aber den leisen Verdacht gegen Sie, dass Sie mich für immer dort lassen wollten. Im übrigen sahen Sie, was eine allgemein bekannte Tatsache war, einem Grafen Schönstein wie einem Zwillingsbruder ähnlich. Dieser Graf wurde auch irgendwie sichtbar, sah Ihnen natürlich gar nicht ähnlich, hatte einen offenen Ueberzieher mit Pelz, trug einen Zwicker und sah verdrossen drein. Nun deuten Sie!
Herzlichst grüssend
Ihr
 [handschriftlich:] Arthur Schnitzler
    Bildrechte © National Library of Israel, Jerusalem