Dr Th. Herzl 17. XII. 94
Mein lieber Freund!
Dank für Ihren lieben Brief. Aber was
sind Sie für ein Vernachlässiger von
Details! Haben Sie eine Maschine oder
werden Sie eine kriegen? Der Copist
kann ja schon anfangen, sich einzuüben.
Geben Sie ihm ein Buch zum Abspielen.
Sie werden
morgen, spätestens
übermorgen den
Anfang zugeschickt bekommen,
vielleicht schon die ganzen
2 Acte.
Das Feilen wird mir sauerer als
das Schreiben, das so begeistert war.
Die eine fehlende Scene im 2 Akt
krieg ich gar nicht heraus. Na, ich
setz mich an. Es muss gehen!
Jetzt wo ich die Sache wieder durchlebe könnt' ich besser auf Ihre
ersten Einwendungen antworten. Ich
finde nicht, dass zu wenig »sympathische«
Figuren da sind. Und wenn auch,
soll ich meine Misanthropie fälschen?
|Soll ich gerade dort wo es mir Niemand
glauben wird lauter wunderedle Menschen
sehen u. zeigen? Nein, Freund, das geht
nicht. Ich will mich auch nicht mehr emasculiren irgend einem Erfolg zu Liebe.
So rosig meine Augen überhaupt sehen
können, war's schon gemacht. Ich will
durchaus keine Vertheidigung oder »Rettung«
der J. machen, ich will die Frage
nur mit aller Macht zur Discussion
stellen! Die Kritiker und das Volk
sollen dann vertheidigen oder anklagen.
Komm ich
↓nur↓ auf die Bühne, so ist der
Zweck erreicht. Was weiter geschieht
ist mir Wurscht. Ich pfeif auf das
Geld obwol ich beinahe keines und
auf den Ruhm ohwol ich gar keinen
habe. Ich will gar kein sympathischer
Dichter sein. Aussprechen will ich mich
von der Leber u. vom Herzen weg.
Wenn dieses
Stück in der Welt ist
wird mir leichter um Herz und
Leber sein.
Was aber Ihr feiner Dichtersinn richtig
herausgefunden hat, ist: dass im
Stück|
mehrere andere verworren mitschwingen.
Diese Stücke leben auch schon lange
und so stark in mir, dass sie bei
der Loslösung dieses
Stückes es ein
bischen befleckt haben. Ich werde
also nur diese Unreinheiten weglöschen
müssen.
××××× ×××××× ××××× ×××
Grössere Gesänge schlafen noch auf
den ehernen Saiten. Wenn ich mir
eines Tages die Freiheit vom Taglöhnern
erwerbe, kommen die höheren Sachen.
Ich habe noch einen ganzen Frühling
in mir – vielleicht blüht er noch
einmal heraus.
Die
Glosse hab' ich ins Massengrab
meiner alten Stücke geworfen.
Es ist ja kein Zweifel, dass ich
mir die Aufführung irgendwo
»richten« könnte. Das mag ich
nicht. Begreifen Sie nicht, dass
mir die Journalisten-Machereien
beim Theater repugniren? Lieber
nicht aufgeführt, als aus Gefälligkeit
oder Furcht.
Sobald Sie den ersten Theil des
Mscpts haben, bitte ich um die Anzeige
ob der Copist begonnen hat, ob er
schreibt oder abklopft.
Herzliche Grüsse von Ihrem Freund
Th. H.