Theodor Herzl an Arthur Schnitzler, 18. 2. 1895

18. II. 95

Mein lieber Freund!

Schon abgekühlt, also ohne sonderlichen Schmerz erhielt ich heute wieder das zweite »Subscriptionsresultat«.
Ihre Aufgabe nähert sich ihrem Ende, und mein armes Manuscript dem Grabe.
Ich bitte Sie jetzt noch um Folgendes. Sobald Sie das Mscpt von Berlin erhalten haben, bitte ich Sie damit zu Müller Guttenbrunn zu gehen. Er ist so unausstehlich, dass Sie mit ihm vielleicht in schlechten Beziehungen sind; aber so anständig dass er das Manuscript selbst eines Feindes aufmerksam behandeln wird. Sollte freilich Ernstes vorliegen, so will ich Sie nicht mit dem Auftrag belästigen, sondern Schick |bitten, zu ihm zu gehen.
Sie oder Schick wollen gütigst Folgendes sagen: der in München lebende Verfasser hat das Stück dem Deutschen, dann dem Lessingtheater in Berlin eingereicht. Beide haben abgelehnt. Jetzt gibt er es dem Raimund-Th. Er ist aber vom Warten schon so entnervt, dass er sich den Bescheid innerhalb acht Tagen erbittet.
Wenn Sie gehen, lassen Sie sich von Müller das Ehrenwort geben, dass er Niemandem Sie als Einreicher nennt. Mein Grund dafür ist, dass man nach der – allerdings nicht mehr recht zu erhoffenden – Aufführung durch unseren Verkehr auf die richtige Fährte kommen könnte.
Wenn Schick geht, ist diese Vorsicht |überflüssig, da ich ihn nicht kenne u. er mich nicht.
Aber Ihr Gang hat natürlich mehr Autorität. So kann ich Ende der nächsten Woche im Reinen sein.
Von Müller abgelehnt, geht das Stück auf seine letzte Reise: nach Prag. Dort lebt mir ein Freund, das ist Teweles, der Dramaturg des Prager Theaters. Den müsste man einweihen.
Dem würde ich sobald ich Ihre Subscriptionsresultattdepesche habe schreiben, ihm das Silentium ehrenwörtlich abnehmen und Sie dann bitten, ihm das Mscpt zu schicken u. auch weiterhin im Verkehr mit ihm zu bleiben, weil zu mir keine Spur aus den Theaterkanzleien führen soll.
Einer der Gründe zweiter Klasse für mein Anonymat war, dass |ich – à mon age! — keine Körbe von den Directionen einstecken wollte. Das wenigstens habe ich erreicht.
Es bleibt das für junge Autoren, wie es unser fingirter Albert ist, interessante Problem, ob die Sache eine andere Wendung genommen hätte, wenn mein Journalisten-Name bekannt gewesen wäre.
Vielleicht ist das Stück so schlecht, dass nicht einmal die Zeitungspression was geholfen hätte. Sie haben mir vielleicht nicht das Richtige über mein Stück gesagt. Geben Sie acht, ich werde Ihnen zum Schluss noch Vorwürfe machen – –
Soll ich also meine erbärmliche Feder zerbrechen?
Nein, sie kostet zehn francs 50c., ist von Gold, der Stiel mit Tinte angefüllt, so dass man nicht einzutauchen braucht. – Aber untertauchen!
Herzlich Ihr Freund  Th H.
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