Lieber und verehrter Freund!
ich beglückwün
sche Sie vor allem zur Vollendung Ihrer
Stückes, das
schon während
seines Ent
stehens die Mi
ssion
erfüllt haben, welche bei
selb
stkriti
schen Gei
stern wie bei Ihnen
so
schwer zu
erhalten i
st. Ihnen
|eine hohe und
schöne Sti
mmung zu
geben. Ich habe al
so wohl ein Recht mich auf die Lecture der
selben aufs innig
ste zu
freuen. Es i
st
selb
stver
ständlich, da
ss ich Ihnen in jeder Wei
se und mit dem größten
Vergnügen zur Verfügung
stehe. Ich habe auch bereits an einen notar. Vertreter
gedacht,
Schick. Ke
nnen Sie ihn? Er hat vor Jahren intim mit
Ludaßy verkehrt; ich
|komme jetzt häufig mit ihm zu
sa
mmen
und
seine Verläßlichkeit i
st außer Zweifel. Im übrigen braucht ja auch ihm gegenüber
Ihr Name nicht genannt zu werden.
Einiges wäre immerhin zu bedenken. Nehmen wir den Fall an, die
Direction ent
scheidet
sich wirklich binnen
vier Wochen – wird
sie dann, im Falle der Ablehnung – das
Stück auch an das
andere Theater|weiterbeförden? – da
ss es ihr ein leichtes i
st, wi
ssen wir
ja – es i
st aber nicht zu verge
ssen, da
ss es nichts nachläßigeres, rück
sichtslo
seres,
schamlo
seres gibt als Theaterdirectionen. Die
se Nachläßigkeit, Rück
sichtslo
sigkeit,
Schamlo
sigkeit
steigert
sich ins ungewi
ssere,
sobald
sie es mit einem Unbeka
nnten zu
thun haben. Ich glaube also, da
ss man
sich an eine Beförderung des
Stücks von Theater zu Theater kaum recht
verla
ssen kann. Außerdem
|ko
mmt in Betracht, da
ss die
Vergangenheit eines Stückes auch eine Art
Nordauscher
Kugel ist – d. h. das
neue
Theater z. B. kann er
stens »gekränkt«
sein, da
ss es später als die
andern berück
sichtigt wird u kann zugleich ein Vorurtheil gegen das ein oder zwei
oder dreimal abgelehnte Stück haben. Ob es nicht, we
nn auch etwas müh
seliger, doch
prakti
scher i
st, das Stück i
mmer wieder an den
Notar zurückbefördern la
ssen?
|Noch eins. Ich ka
nn mir denken, da
ss die betr.
Direction sich wirklich bi
nnen vier Wochen ent
scheidet –
obwohl man da nur an die An
ständigkeit der Direction, al
so eine
sehr imaginäre Größe
appelliren kann – aber da
ss irgend eine Direction die Verpflichtg übernimmt, ein
eingereichtes Stück innerhalb der näch
sten 2 Monate aufzuführen, kann ich mir kaum
vor
stellen. Man gibt ihr
sogar durch die
se Clausel eine gar zu
|billige Ausrede in die Hand.
– Ob die
Pseudonym-Idee an
sich Erfolg ver
spricht, i
st
schwer zu ent
scheiden. Sie mü
ssen eben annehmen, da
ss das Werk
selb
st auf die
Directoren
so mächtig wirkt, da
ss u.
s. w. u.
s. w. Es
steht in
die
sem Briefe
schon
so viel über die Directoren, da
ss es kaum nothwendig i
st, ihnen
das letzte und traurig
ste Epitheton zu er
sparen, da
ss
sie von der Güte eines echten
Stücks doch wohl nicht viel ver
stehen.
|Blumenthal dürfte einen gewi
ssen Blick fürs theatrali
sche haben.
Brahm i
st ein Herr mit Principien und kalten Fanatismen; für einen tiefen Ver
steher
halt ich ihn nicht.
Lautenburg i
st einfach ein Dummkopf. Die »
Freie Bühne«
glaub ich, exi
stirt gar nicht mehr. We
nn es ein gerades und natürliches Verhältnis
zwi
schen dem Werth eines Stückes und der Annahme des
selben gäbe, bräuchte das alles
freilich nicht be
sprochen zu werden. Und alles, was ich da
|ge
sagt habe, wi
ssen Sie, lieber Freund,
so gut wie ich – aber man kommt
so ins
plaudern. Daß Herr
Albert Schnabel genau
so auf mich zählen
kann wie Dr.
Theod. Herzl, brauche ich wohl nicht noch
einmal zu ver
sichern. Senden Sie mir Ihr
Stück nur
sobald wie möglich. Da
ss Sie mir die
Glosse nicht ge
schickt haben, i
st nicht
schön. Aber Sie haben verge
ssen. Meine
Novelle er
scheint in etwa 14 Tagen. Ich werde nicht
verge
ssen. –
| Ein
Stück hab ich auch ge
schrieben. Vom
13. September bis
4. October. Und es hat nur 3 Akte. Hoffentlich kann ich
Ihnen bald gün
stiges davon
sagen. Seien Sie vielmals herzlich
st gegrüßt und empfehlen
Sie mich gütig
st Ihrer
Gattin.
Ihr treu ergebener
ArthurSchnitzler