Tau
send Dank für Deine lieben Worte! Es war wirklich nicht nöthig, mir deshalb einen
großen Brief zu
schreiben, und ich bitte Dich, auch
Olga zu veranla
ssen, daß
sie mir über die Affaire nicht mehr
schreibt. Die Sache i
st abgethan; und ich bedaure lebhaft, daß ich dem Unwillen, den
ich über den zurechtwei
senden Ton von
Olgas Brief empfunden, überhaupt
Ausdruck gegeben habe. Im Übrigen nimm
st Du nach wie vor in der Frage einen
er
staunlich ein
seitigen
Standpunkt ein. Ich kann Dir ver
sichern, daß
|nicht nur widerliche Kerle
sich über meine Kritiken freuen,
sondern auch
sehr an
ständige Leute. Und was
habe ich mich um die Wirkungen zu bekümmern, die meine Kritiken auf widerliche Kerle
×××××↓ausüben↓? Was habe ich mich überhaupt um die Wirkungen meiner Arbeiten zu bekümmern?
Das i
st
doch ein ganz unkün
stleri
sches Verlangen, das Du da an mich
stell
st. Die einzige
Frage kann doch nur die
sein, ob meine Kritiken meine Überzeugung und meine Stimmung
ausdrücken. Und da meine Überzeugung die i
st, daß
Gerhart Hauptmann ein minderwerthiger
|und verworrener Gei
st
i
st, und da ich Erbitterung darüber empfinde, die
sen minderwerthigen
Geist als großen Dichter
geprie
sen zu
sehen,
so
s können meine Kritiken ab
solut nicht anders lauten und können auch in keinem
anderen Tone ge
schrieben
sein.
Du irr
st Dich auch, wenn Du glaub
st, daß Du mir immer
schreib
st, wenn Du über eine
meiner Arbeiten »entzückt« bi
st. Ich bin überzeugt, daß Du in
Wien die
sem »Entzücken« Worte verleih
st, Du vergißt es nur in
der
|Regel, mir mitzutheilen. Ich habe oft genug, wenn
ich das Bewußt
sein hatte, eine Arbeit von Werth vollendet zu haben, mich nach einem
Wort der Zu
stimmung von Deiner Seite ge
sehnt, und oft genug i
st die
ses Wort der
Zu
stimmung ausgeblieben. Pünktlich und ausführlich
schreib
st Du mir nur, wenn Du an
meinen Arbeiten etwas zu tadeln ha
st.
So, und nun genug!
Ich habe mich von Herzen gefreut, endlich wieder einmal etwas von Dir zu hören, und
habe mich insbe
sondere gefreut,
|daß Du und
Olga (wie ich aus
Olgas Brief er
sehen) in
Reichenau so
schöne Tage
verlebt habt.
Die Aufführung Deiner
Einakter
am 4. Jänner
sollte
st Du zu verhindern
suchen. So wenige Tage nach Neujahr i
st eine recht ungün
stige Theaterzeit. Hat
Brahm solange gewartet,
so kann er auch noch eine Woche länger warten. Ich
selb
st
werde am 4. Jänner kaum in
Berlin sein, da ich, wie alljährlich,
|die Weihnachts- und Neujahrstage bei meiner
Schw Familie
in
Frankfurt zu verbringen hoffe.
Ge
stern
sahen wir hier ein
stellenwei
se
sehr hüb
sches
Stück von
Meyer-Förster. Ich werde leider kaum Zeit finden, darüber zu
schreiben,
da näch
ste Woche der
Reichstag zu
sammentritt.
Auch muß ich in meinem näch
stem
Feuilleton den »
Rothen Hahn«
behandeln
.
|Was Du über die
Haltung der
N. Fr. Pr. gegenüber dem
»
Jungwiener Theater«
schreib
st, i
st durchaus berechtigt. Aber
Salten trägt doch wohl die Haupt
schuld. Er machte
hi mir hier in
Berlin den Eindruck eines
Mannes, der ab
solut keine Ahnung hat, was er will. Und wie kann man
sich zu einem
kün
stleri
schen Unternehmen mit
Siegfried Löwy a
ssociiren?
Mit Deinem neuen
Stück wir
st
Du Dich
schon wieder
|zurechtfinden. Je mehr Du daran arbeite
st, um
so tiefer wird es werden. Quäle Dich al
so nur
ein wenig. Es
schadet gar nichts.
Grüße mir die
Mädeln und
sei Du
selb
st vielmals und von Herzen gegrüßt!
Dein
Paul Goldmann