11. XII. 894
Mein lieber Freund!
Die »
Glosse« habe ich Ihnen schon vor
mehreren Tagen geschickt.
Ich bin nur schwer wieder in meine
Arbeit
hineingekommen. Sie hat mir wochenlang
einen unsagbaren Ekel eingeflösst – aber
ich will Sie nicht mit allen neurasthenischen
Erscheinungen meiner Production langweilen.
Kurz, ich kann jetzt wieder die Sache
in die Hand nehmen und feilen.
Die
Abschrift wird bald fertig werden.
Wenn ich aber fertig bin, soll keine
Sekunde versäumt werden. Denn dann
wird mir wieder das Warten auf die
Entscheidung fürchterlich auf die Nerven
gehen. Ich konnte schon Ihr erstes Urtheil
nicht erwarten, u. da Ihr Brief einige
Tage auf sich warten liess, war ich
ganz zapplig. Ich werde mich nun
offenbar in Geduld fassen müssen, bis
ich eine Entscheidung von den Directoren
sehe, aber die Expedition wenigstens soll
|
nicht um eine Stunde über das Nöthige
hinausgezögert werden.
Das
Manuscript von meiner Hand kann
ich natürlich nicht einreichen. Ich dachte
zuerst daran, es hier auf einer Schreibmaschine abzuspielen. Das wäre das Beste,
auch das leserlichste. Aber ich könnte das
bei mir zu Hause nicht, ohne Aufsehen
zu machen. Also will ich mein definitives
Manuscript in
Wien abschreiben lassen.
Vielleicht könnten Sie sich eine Schreibmaschine ausleihen. Hier gibt die Niederlage
der Yost-Maschinen auf 14 Tage
bis 3 Wochen Maschinen zur Probe ins
Haus. Man kann sie dann zurückgeben
u. ich hätte in diesem Fall Trinkgelder
gegeben oder versucht ein Leihgeld zu
zahlen. Vielleicht können Sie das in
Wien
auch? Dann wurde ich Sie bitten, von
Schick einen intelligenten Abschreiber zu
verlangen, der das Spielen auf der Maschine
in einer Stunde heraushätte u. – erst
langsam dann immer schneller – das
Manuscript abklopfen würde.
Geht's mit der Maschine nicht, so müssten
wir uns von
Schick oder vielleicht lieber von
|
der
Universität einen Abschreiber holen. Die
Wahl des Abschreibers ist wichtig, weil er ja
später was verrathen könnte. Darum
möchte ich auch nicht, dass das
Mscpt
einem Theater-Abschreibe-Bureau übergeben
werde. Der Schreiber muss bei Ihnen
sitzen – ich mache Ihnen viel Mühe! –
denn ich wollte nicht, dass das
Mscpt
aus Ihren Händen komme. Natürlich
muss er eine wunderschöne, sehr klare
sehr leserliche Schrift haben. Bezahlen
Sie ihn reichlich, lieber Freund und
theilen Sie mir gütigst sofort alle Ihre
Auslagen mit, denn Kosten darf Sie die
Sache mindestens nichts.
Damit die
Abschrift recht schnell fertig
werde, will ich das
Mscpt in mehreren
Bruchstücken an Sie absenden. Der Schreiber
soll sofort nach Eintreffen des ersten
anfangen. Wenn alles fertig, bitte ich
sie die Reinschrift von einem Buchbinder
brochiren zu lassen, dem aber nur ein
paar Stunden Zeit gelassen werden dürfen,
damit er das
Buch nicht lese. Natürlich
ein Buchbinder, der Sie nicht kennt.
Das sind vorläufig alle meine Wünsche.
Mache ich Ihnen zu viel Mühe?
Ich bitte Sie auch um den vollen Namen
Schicks, den ich für den Begleitbrief brauche.
|Bleibt die Adresse
Reisnerstrasse?
– Ich bin neugierig, was Sie zur
Revision meines
Stückes sagen. Ich
will Sie bitten, diese Revision erst in
der Reinschrift des Abschreibers zu lesen,
damit Sie seine Fehler entdecken u. corrigiren können. Lesen Sie sie vorher,
so sind Sie dabei nicht mehr aufmerksam.
Also für heute Schluss.
Mit herzlichen Grüssen Ihr Freund
Herzl
Antwort
e, auch diesmal, wie immer wenn nichts Besonderes vorliegt, an meine Adresse
rue Monceau