Arthur Schnitzler an Stefan Zweig, 6. 11. 1924

|Dr Arthur Schnitzler |6. 11. 1924.

Lieber Herr Dr. Zweig.

Es freut mich herzlich, dass Ihnen das »Fräulein Else« so wohlgefällt. Eine trouvaille ist es eigentlich nicht, dieselbe Technik habe ich ja im »Leutnant Gustl« schon angewandt. Es ist eigentlich merkwürdig, dass sie seitdem so selten benützt wurde, da sie ganz ausserordentliche Möglichkeiten bietet. Freilich eignen sich nur wenige Sujets dazu, sonst hätte wahrscheinlich vor allem ich selbst von dieser Form öfters Gebrauch gemacht. Als der »Leutnant Gustl« neu war sagte man mir, dass in einer Novelle von Dujardin »Les Lauriers sont coupés« eine ähnliche Technik angewandt worden sei; die Angabe stimmte nicht ganz. Nach Georg Brandes sollte die »Krotkaja« von Dostojewsky sich der gleichen Technik bedienen, aber auch das trifft eigentlich nicht zu.
Ihr Bedenken wegen der Summe kann ich wohl verstehen. Es ist schon möglich, dass ich, wie die übrigen österreichischen Millionäre in unserem Nullenwahnsinn a priori falsch eingestellt war; andererseits gebe ich ihnen zu erwägen, dass Dorsday immerhin an einem Bild achtzigtausend Gulden verdient hatte, was schon damals vorkam; ferner dass durch die Höhe der Summe auch seine Forderung für das Publikum gewissermassen entschuldbarer wird; – und endlich spielten gewisse persönliche Jugenderinnerungen in die finanzielle Partie meiner Novelle hinein, nach denen sich die von mir genannte Summe durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen bewegt.
Nochmals herzlichen Dank, viele Grüsse und auf baldiges Wiedersehen
[handschriftlich:] Ihr  Arthur Schnitzler
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