Heut am Sonntag habe
ich endlich ein paar Minuten frei zu einem Briefe an Dich.
Die »
Fackel«. Was will
st Du von dem
Lausbuben? Offen ge
standen, ich hätte noch Schlimmeres erwartet. Im Übrigen hat
Burckhardt in der »
Zeit« das
wahre Wort
geschrieben: die
Leute rächen
sich jetzt an Dir, weil
sie Dir haben applaudiren mü
ssen. Auf das
Ge
sindel im Allgemeinen war niemals zu rechnen. Ob die
Aktion son
st wirkungslos geblieben, wird
sich zeigen. Welche Wirkung hätte
|denn auch kommen
sollen? Die Haupt
sache war, daß der
Herr
Schlenther eine
Antwort auf
sein
unerhörtes Benehmen bekam. Und den
schlechten Ruf, den er ohnedies hat, hat die
se
Affaire nur noch vergrößert. Er hat’s ge
spürt und wird’s noch weiter
spüren. Die
se
Affaire, mag man
sagen, was man will, i
st ein Grund mehr für
seinen Weggang vom
Burgtheater. Selb
st
hier, wo man ihn für einen Gott hält, hat
sie
ihm ge
schadet. . . . .
Dein »Ohrenleiden«. Darauf weiß
ich nur eine Antwort: Heirathen. Ich schwöre Dir:
wenn Du Frau |und Kinder haben wirst, wirst Du Dich
weniger mit Deinem Ohre beschäftigen; und wenn Du Dich weniger damit beschäftigen
wirst, wi wirst Du weniger darunter leiden.
Mit
Lindau werde ich bei näch
ster Gelegenheit wegen
Salten sprechen.
Kerr sehe ich
sehr
selten. Wenn wir uns
sehen,
sprechen wir
sehr freund
schaftlich
miteinander. Er
steckt tief in
seinem
Liebeswonnen und
strebt der Erfüllung
seiner Wün
sche zu, was mit großen
|Kämpfen verbunden
scheint. Aber
er wird es
schon durch
setzen. Er und das
Mädel scheinen
sich
sehr
zu lieben, und das i
st die Haupt
sache.
Ich bin mit dem Hau
se
M.-C. vollkommen auseinander. Die
se ganze Ge
schichte hat für mich mit einem großen
Ekel geendet, – einem Ekel namentlich vor der »Ge
sell
schaft«, vor die
sen Leuten, die
Einen nicht ver
stehen und die Einen zur Tafel ziehen als Hanswur
st. Aber wehe, wenn
man ver
suchen will, auch einmal
sein Leben zu leben!
|Im Übrigen hat die
Kleine
ja ganz recht gehabt, und ich bin fett und grotesk und nicht fähig, Liebe
zu ei einzuflößen. Ich habe mich in
die Arbeit ge
stürzt, um das Alles zu verge
ssen.
Brandes i
st
hier und erzählt mir
viel von
seinen Liebesabenteuern. Die
ser Tage kommt auch
seine
Tochter.
Nach
Breslau zur Aufführung der »
Beatrice« möchte ich unendlich gern fahren. Ich habe das
hier mit meinem Collegen
Fuchs be
sprochen, und
|er
sagte mir: »Ja, fahren Sie
nur! Aber den Direktor
Löwe dürfen Sie nicht tadeln; er i
st bei
uns persona gratissima.« Al
so, ich
setze den Fall, die Aufführung könnte den
Aufgaben des
Stückes nicht
gerecht werden (was ich befürchte),
so werde ich das nicht
sagen dürfen, oder man
wird es mir
streichen. Unter die
sen Um
ständen i
st es wirklich be
sser, nicht
hinzugehen und die Berichter
stattung dem Direktor
Löwe zu überla
ssen, der
selb
st an die
N. Fr. Pr. |zu telegraphiren pflegt und unter allen Um
ständen
das Be
ste
sagen wird.
Grüße mir die
streb
samen
Fräulein aus der
Rothen-Stern-Gasse und theile mir deren genaue Adre
sse mit (Name und Hausnummer), damit ich
ihnen mein
Buch schicken kann.
Die
Glümerinnen sind wieder beieinander, und Frl.
Mizzi hat neulich
|einen
sehr
schönenn schönen und
sehr verdienten Erfolg gehabt bei Publikum und Kritik. Auch
sie
sehe ich
selten, und ich lebe,
einge
sponnen in Arbeit, ein ödes und nutzlo
ses Leben.
Was macht
Richard? Keine Möglichkeit, von ihm eine Antwort zu bekommen.
Schreib’ mir bald und sei sei von Herzen
gegrüßt!
Dein
Paul Goldmnn